Gericht verurteilt Astrazeneca zu Impfstoff-Lieferung

Als zu wenig Corona-Impfstoff ankam, verklagte die EU-Kommission den
britisch-schwedischen Hersteller. Jetzt das erstes Urteil - das
kurioserweise beide Streitparteien als Erfolg feiern.

Brüssel (dpa) - Im Rechtsstreit mit Astrazeneca wegen verzögerter
Lieferungen von Corona-Impfstoff hat die EU-Kommission einen
Teilerfolg erzielt. Ein belgisches Gericht verurteilte den Hersteller
am Freitag unter Androhung von Zwangsgeldern zur Lieferung von 50
Millionen Impfdosen an die Europäische Union. Trotz des Urteils kommt
aber nach Angaben von Astrazeneca kurzfristig nicht mehr Impfstoff
als ohnehin geplant. Das Unternehmen will zwar das Urteil umsetzen,
hinkt jedoch seinen ursprünglichen Lieferzusagen weiter hinterher.

Der Spruch des Brüsseler Gerichts erster Instanz war so abgefasst,
dass sich sowohl die EU-Kommission als auch der Hersteller am Freitag
als Sieger sahen. Die EU-Kommission hatte Astrazeneca wegen
Lieferrückständen verklagt. Denn im ersten Quartal gingen nur 30
Millionen statt 120 Millionen Impfdosen des Herstellers an die 27
EU-Staaten. Die Kommission verlangte per Eilverfahren Ende Mai die
rasche Lieferung der ausstehenden 90 Millionen Dosen.

Das Gericht gestand der EU aus dieser Forderung nun immerhin 50
Millionen Dosen zu und steckte einen detaillierten Zeitplan bis Ende
September: Bis 26. Juli, 9.00 Uhr, muss Astrazeneca 15 Millionen
Dosen liefern oder 10 Euro pro fehlender Dosis zahlen. Bis 23. August
sind laut Mitteilung des Gerichts weitere 20 Millionen Dosen fällig,
mit derselben Strafandrohung, bis 27. September noch einmal 15
Millionen Dosen.

Allerdings ist die Forderung nach Darstellung von Astrazeneca
inzwischen größtenteils überholt: 40 der 50 Millionen Dosen seien
bereits geliefert worden. Die Restmenge von zehn Millionen werde noch
vor Ende Juni erreicht beziehungsweise übertroffen. Folglich sei die
Frist bis Ende September irrelevant, und es gebe es auch keine Gefahr
von Zwangsgeldern, hieß es vom Unternehmen. Alle anderen Forderungen
der EU-Kommission seien vom Gericht verworfen worden.

Die EU-Kommission bestätigte, dass seit Beginn des Gerichtsverfahrens
bereits 40 Millionen Dosen geliefert worden seien. Sie sah das Urteil
aber trotzdem als Erfolg. Aus Kommissionskreisen hieß es, das Gericht
habe einen Vertragsbruch des Unternehmens festgestellt. Die Firma
habe nicht wie zugesagt «alle vernünftigen Anstrengungen» zur
Lieferung unternommen. So hätte auch ein Impfstoffwerk in
Großbritannien genutzt werden müssen, um die Verpflichtungen
gegenüber EU zu erfüllen, lasen EU-Vertreter aus dem Urteil heraus.

EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen erklärte: «Diese
Entscheidung bestärkt die Position der Kommission: Astrazeneca hat
nicht die im Vertrag eingegangenen Verpflichtungen erfüllt.»

Der Spruch im Eilverfahren bezieht sich nur auf das erste Quartal von
Januar bis März. Die Lieferrückstände von Astrazeneca setzen sich
jedoch auch im zweiten Quartal fort. So erwartete die EU insgesamt im
ersten Halbjahr 300 Millionen Dosen. Das Unternehmen schafft aber
nach eigenen Angaben nur etwa 100 Millionen Dosen - einschließlich
der jetzt gerichtlich festgesetzten Menge. Die gerichtliche
Auseinandersetzung geht im September in die nächste Runde. Dann
beginnen Anhörungen im Hauptsacheverfahren.

Der Corona-Impfstoff von Astrazeneca gilt als hochwirksam und wird
weltweit millionenfach verwendet. Allerdings wird er in Zusammenhang
mit sehr seltenen Hirnvenenthrombosen gebracht. Einige EU-Staaten
haben deshalb die Nutzung eingeschränkt oder sogar aufgegeben.