Grüne kuscheln mit der CDU - Lob für Verhinderung von Fahrverboten Von Dorothea Hülsmeier, dpa

Bahnt sich da zwischen CDU und Grünen in Nordrhein-Westfalen schon
etwas an? Die Grünen loben die CDU-Umweltministerin - und denken
offensichtlich schon an die Landtagswahl nächstes Jahr.

Düsseldorf (dpa/lnw) - Es könnte fast ein Kuschelkurs sein: Ein
ungewohntes Lob von den Grünen hat NRW-Umweltministerin Ursula
Heinen-Esser (CDU) für das Abwenden von Diesel-Fahrverboten in
Nordrhein-Westfalen bekommen. Heinen-Esser habe den Prozess «sehr
moderat und zielorientiert» geführt, sagte der
Grünen-Verkehrspolitiker Arndt Klocke am Freitag in einer Aktuellen
Stunde des Landtags. «Dass es keine Fahrverbote gibt, da haben Sie
auch Anteil daran.» Trotzdem sei jetzt «nicht alles Tutti-Frutti».

Am Montag war in NRW das letzte von 14 Klageverfahren der Deutschen
Umwelthilfe durch einen Vergleich beendet worden. Damit sind alle
drohenden Fahrverbote für ältere Dieselfahrzeuge in NRW vom Tisch.
«Der Montag war ein erfolgreicher Tag für uns in
Nordrhein-Westfalen», sagte Heinen-Esser (CDU).

Die Ministerin sparte wie andere CDU-Redner nicht mit Lob für
Ministerpräsident Armin Laschet (CDU), der Kanzlerkandidat der Union
ist. Laschet habe versprochen, dass es mit ihm keine Fahrverbote
geben werde. Heinen-Esser verwies darauf, dass in der rot-grünen
Regierungszeit in NRW an allen Messstellen in den Städten die
Grenzwerte für Stickstoffdioxid (NO2) weit überschritten worden
seien. Erst durch Schwarz-Gelb sei der zulässige Grenzwert von 40
Mikrogramm pro Kubikmeter Luft schließlich unterschritten worden.
Dabei sei schon seit 2010 klar gewesen, dass die Grenzwerte
eingehalten werden müssten. Aber Rot-Grün habe den «Weckruf nicht
gehört».

«Sie können mit Lob nicht umgehen», konstatierte Klocke. «Dieses al
te
Kastendenken - wir machen alles richtig, die anderen alles falsch -
das finde ich so unfassbar langweilig.» Wenn es bei der Landtagswahl
2022 einen Regierungswechsel geben sollte, gestehe er der
CDU-Ministerin Heinen-Esser zumindest zu, dass sie in ihrer Amtszeit
«nicht alles falsch gemacht» habe. Damit er nicht zu kuschelig
rüberkam, haute Klocke aber noch kräftig drauf. Die «schamlosen
Manipulationen» der deutschen Automobilindustrie hätten zu den hohen
Stickstoffdioxid-Werten in der Luft geführt. Und die CDU sei «eng mit
ihr verbandelt».

Nach den abgewendeten Diesel-Fahrverboten in NRW sehen die Grünen den
Weg zu einer klimafreundlichen Verkehrswende noch weit. Wenn nach dem
Ende der Corona-Pandemie der Verkehr in den Städten wieder
hochgefahren werde, dann würden wieder mehr Schadstoffe emittiert als
zugelassen, warnte Klocke. Das bundesweite Ziel, bis 2020 mindestens
eine Million Autos mit Elektromotor auf deutsche Straßen zu bringen,
sei immer noch nicht erreicht.

Auch die SPD zweifelte das Eigenlob der Regierungn an. Der
SPD-Abgeordnete André Stinka sprach von «Greenwashing». Bis auf
sechs Städte seien im Corona-Jahr 2020 deutschlandweit die Grenzwerte
eingehalten worden.

Spekulationen über mögliche schwarz-grüne Bündnisse werden durch
Umfragen genährt. Die jüngste Umfrage des Meinungsforschungsinstituts
Civey sieht in NRW derzeit die CDU bei 28,2 Prozent und die Grünen
bei 24,9 Prozent auf Platz zwei. Die Regierungskoalition aus CDU und
FDP hätte aktuell keine Mehrheit. Die nächste Landtagswahl ist im Mai
2022. Ministerpräsident Armin Laschet will nach der Bundestagswahl
unabhängig vom Ausgang in Berlin bleiben.

Als ein möglicher Laschet-Nachfolger auf dem Posten des
Ministerpräsidenten gilt Verkehrsminister Hendrik Wüst (CDU). Dieser
brachte am Freitag ein Gesetz ein, über das sich eigentlich auch die
Grünen freuen könnten. Denn als erstes Flächenland in der
Bundesrepublik bekommt Nordrhein-Westfalen ein Fahrradgesetz. Das
Fahrrad solle für Pendler in NRW zur «echten Alternative» werden,
sagte Wüst.

Zufrieden sind aber weder die Grünen noch die Volksinitiative
«Aufbruch Fahrrad», die mit mehr als 200 000 Unterschriften das
Gesetz auf den Weg gebracht hatte. Denn der Anteil des Radverkehrs am
Verkehrsaufkommen in NRW soll zwar von 8 auf 25 Prozent gesteigert
werden. Allerdings gibt es dafür kein Zieldatum, wie es die
Initiative fordert. Die Grünen wollen nun einen eigenen Entwurf
vorlegen. Der hat zwar nur symbolische Bedeutung, da er im Landtag an
der CDU/FDP-Regierungsmehrheit scheitern wird. Es zeigt aber auch:
Der Weg zu einem möglichen Bündnis zwischen CDU und Grünen dürfte i
n
NRW noch weit sein.