Experten mahnen an: Fleischersatz oft viel teurer als Fleisch Von Josefine Kaukemüller, dpa

Ob Tofuwürstchen oder Sojaburger - für fleischfreien Grillgenuss gibt
es viele Möglichkeiten. Oft muss man dafür aber tiefer in die Tasche
greifen als für Nackensteak und Co. Das hat Folgen für die Umwelt.

Berlin (dpa) - Die Grillsaison läuft auf Hochtouren - und Spar- und
Rabattangebote auf Grillprodukte locken viele Menschen in den
Supermarkt. Eine Analyse der Umweltorganisation WWF zeigt jetzt, dass
der Großteil des Grillfleisches in deutschen Supermärkten wesentlich
billiger ist als Fleischersatzprodukte. Experten mahnen die
ökologischen Folgen dieses preislichen Ungleichgewichts an.

Für die Analyse hatte der WWF zwischen Ende April und Ende Mai 922
Grillfleisch-Angebote in den Werbeprospekten von acht deutschen
Supermarktketten erfasst. Konkret wirbt der Einzelhandel demnach mit
rabattierten Steaks oder Grillwürstchen vom Schwein mit einem
Kilopreis von durchschnittlich 6,36 Euro oder mit rabattiertem
Geflügelfleisch für 5,67 Euro pro Kilo. Tofuwurst und Sojaburger sind
mit 13,79 Euro pro Kilo selbst im Angebot mehr als doppelt so teuer.

Im Schnitt waren 85 Prozent des rabattierten Grillfleisches billiger
als pflanzliche Alternativen. Außerdem werden Grillfleischprodukte
demnach fast 30 Mal häufiger beworben als Fleischersatzprodukte.
Zudem kommen laut der Analyse nur die wenigsten Produkte aus höheren
Haltungsformen. Nur zwei Prozent der Rabatt-Produkte wiesen
Bioqualität auf, bei vielen war die Herkunft gar nicht ausgewiesen.

Tanja Dräger de Teran, Ernährungsreferentin beim WWF, kritisiert,
dass die Massen an Billigfleisch zu Lasten der Umwelt gingen. Damit
Fleisch so billig verkauft werden könne, müsse massenhaft Vieh
gehalten und Futtermittel wie Soja etwa aus Südamerika importiert
werden. Das heize das Klima an und zerstöre wertvolle Lebensräume.
«Mit Billigfleisch wird der Amazonas verramscht», kritisiert sie. So
würden etwa 96 Prozent der Soja-Anbaufläche für Tierfutter benötigt
-
und nur vier Prozent für pflanzliche Lebensmittel.

Das Umweltbundesamt (UBA) betont ebenfalls, die Nutztierhaltung und
der hohe Konsum tierischer Produkte in Deutschland wirkten sich
negativ auf Umwelt und Klima aus. So trage das hohe Maß der
Intensivtierhaltung maßgeblich zur Emission klimaschädlicher Gase wie
Methan bei, das Wiederkäuer bei der Verdauung freisetzen. Auch
Lachgas-Emissionen und Nährstoffüberschüsse als Folge von
Güllelagerung und -ausbringung seien schädlich.

«Wir haben massive Emissionen in die Luft und in den Boden. Deshalb
wäre es neben verfahrenstechnischen Maßnahmen wichtig, den Konsum von
Fleisch und tierischen Produkten stark zu reduzieren», sagt Almut
Jering vom UBA. Zu diesen Maßnahmen könnten etwa Filter an den
Stallanlagen oder die energetische Nutzung von Wirtschaftsdünger
gehören. Zudem gerieten in der Intensivtierhaltung genutzte
Antibiotika in die Umwelt, kritisiert sie.

Wieso aber ist Fleischersatz oft teurer als Fleisch? Antje Risius,
die an der Universität Göttingen zu nachhaltigen Ernährungsstilen
forscht, erklärt die markanten Preisunterschiede dadurch, dass
Fleisch ein am Markt etabliertes Produkt, Ersatzprodukte aber noch
«Newcomer» seien. «Der Fleischmarkt hat einen unglaublichen
Wettbewerbsvorteil, weil da die Strukturen schon etabliert sind. Da
kann auf ganz anderem Niveau produziert werden, effizient und
strukturell zu sehr günstigen Preisen.»

Weil sie zumeist noch in der Entwicklungsphase steckten, hätten
Ersatzprodukte noch relativ hohe Investitionskosten. Zudem seien sie
häufig sehr stark verarbeitet - und die vielen zwischengeschalteten
Verarbeitungsschritte seien ebenfalls teuer, sagt Risius.

Dass unverarbeitetes Gemüse je nach Produktionsprozess und Saison
auch mal teurer sei als Fleisch, lasse sich ebenfalls mit den
Produktionsstrukturen erklären. Bei der Obst- und Gemüseproduktion
sei Deutschland stark von Importen abhängig.

«In Deutschland erreichen wir bei Gemüse einen Selbstversorgungsgrad
von gerade mal etwas über 30 Prozent», sagt auch Dräger de Teran.
Außerdem sei hier oft mehr Handarbeit gefragt und Gemüse brauche in
der Regel länger, bis es beim Konsumenten auf dem Teller lande. So
betrage die Mastzeit für ein Grillhähnchen etwa 30 Tage, dagegen
vergingen beim Brokkoli von der Aussaat bis zur Ernte etwa 90 Tage.

Der WWF mahnt an, der Preisungleichgewicht zwischen Fleisch- und
Fleischersatzprodukten führe dazu, dass viele Menschen aus
Kostengründen auf Fleisch zurückgriffen. Nachhaltige Ernährung dürf
e
aber keine soziale Frage bleiben, fordert Dräger de Teran. «Wir
müssen dahin kommen, dass die einfache Wahl die gute, gesunde und
nachhaltige Wahl ist. Und davon sind wir noch weit entfernt.»

Ein wachsendes Angebot von Fleisch- und Milchersatzprodukten in den
Supermärkten stoße trotz des oft höheren Preises bei immer mehr
Menschen auf Interesse, befindet Jering vom UBA. Zuletzt habe die
Zahl der Menschen, die sich vegetarisch oder vegan ernährten,
deutlich zugenommen. «Ich glaube, dass da ein gewisser
gesellschaftlicher Fortschritt im Gange ist.»

Der WWF sieht derweil Politik und Wirtschaft stärker in der Pflicht.
Von der nächsten Bundesregierung fordert die Organisation eine an
Nachhaltigkeitskriterien orientierte Lenkungssteuer auf tierische
Lebensmittel, die Produkte aus ökologischer Landwirtschaft weniger
belastet. Vom Handel brauche es einen Wandel in der Preispolitik: So
sollten beispielsweise keine Rabatte mehr auf Fleisch- und Wurstwaren
ausgegeben werden, außer kurz vor Ablauf des Verbrauchsdatums.