Wallfahren in der Pandemie - mehr Ich als Wir

Rucksack, Hut, Wanderschuhe und vielleicht ein Stock: Die Tradition
der Fußwallfahrt ist in Bayern ein hohes Gut. Corona hat vielen
Gläubigen heuer diesen Brauch vermiest. Kraft schöpfen, den Kopf frei
bekommen - andere Formate und Fortbewegungsmittel sind nun gefragt.

Würzburg/Altötting (dpa/lby) - Maskenpflicht, Mindestabstand und
nicht zu viele Menschen: Die traditionellen Wallfahrten der Pfarreien
in Bayern sind auch in diesem Jahr coronageprägt. Wo die oft mehrere
Tausend Pilger zählenden Touren nicht ausfallen, bricht mancherorts
nur eine kleine Gruppe zum Wallfahrtsort auf, gibt es
Online-Veranstaltungen oder zeitlich gestreckte Wanderungen.

«Die allermeisten Wallfahrten wurden in diesem Jahr wie auch schon im
letzten in der üblichen Form abgesagt», teilte das Erzbischöfliche
Ordinariat Bamberg mit. Doch etliche Christen machten sich dennoch
nach Vierzehnheiligen, Gößweinstein oder Marienweiher in Oberfranken
auf. «Viele vermissen das gemeinsame Unterwegssein, oft ein Höhepunkt
im kirchlichen Erleben des Jahres, und fahren daher wenigstens mit
dem Auto zum Wallfahrtsort.» Die Mischung aus Frömmigkeit, Sport und
Geselligkeit spreche zudem viele an, die sonst nur losen Kontakt zur
Kirche hätten.

Die Würzburger Kilianiwallfahrt ist die größte und älteste Wallfahr
t
mit üblicherweise rund 20 000 Gläubigen im Bistum. Die Tradition
reicht 1200 Jahre zurück. Sie wird allerdings nicht als geschlossene
Fußwallfahrt praktiziert, sondern ist eine Wallfahrtswoche mit
individueller Anfahrt. Pandemiebedingt werden aus einer Woche heuer
drei, wie das Bistum mitteilte. «Die Kilianiwallfahrt inklusive der
Gottesdienste für die Ehe-Jubilare ist in diesem Jahr auf drei Wochen
ausgedehnt, damit die Menschen sich auf mehrere Gottesdienste
verteilen können.»

Bei der Würzburger Wallfahrt zum Kreuzberg in der Rhön - immerhin
rund 180 Kilometer - soll im August an den Wallfahrtstagen täglich
eine Messe gefeiert werden. Die Teilnehmer bekommen die üblichen
Stationen digital als Videoclip, damit sie die Wallfahrt individuell
oder in kleinen Gruppen nachempfinden können. Gebete, Lieder, Texte -
nur wenige Menschen sollen dafür auf kleinem Raum zusammenkommen.

Auch im Bistum Augsburg heißt es vielerorts: Die meisten Wallfahrten
sind in diesem Jahr individuell gestaltete Pilgerreisen, teils
stellvertretend für eine größere Gruppe. «Da wir Christen durch die

Taufe untereinander in besonderer Weise verbunden sind,
repräsentieren auch kleinere Gruppen immer die ganze Gemeinschaft der
Gläubigen», hieß es beim Ordinariat. Andere Pilgerstrecken werden als

«Online-Wallfahrt» über mehrere Tage hinweg gestaltet. «Wer so
gedanklich auf geistliche Reise geht, bei dem wächst sicher die
Vorfreude auf eine baldige tatsächliche Wallfahrt.»

Coronabedingt ist bereits die Regensburger Fußwallfahrt nach
Altötting ausgefallen. Die Gläubigen konnten ihre Anliegen an die
Mutter Gottes jedoch schriftlich im Bistum abgeben - Bischof Rudolf
Voderholzer brachte diese Ende Mai in einem Rucksack in die
oberbayerische Wallfahrtsstadt. Normalerweise nehmen rund 8000
Gläubige an der dreitägigen, 111 Kilometer langen Fußwallfahrt teil.

In Nicht-Corona-Jahren kommen zu Pfingsten Tausende Pilger nach
Altötting und beten in der Gnadenkapelle die schwarze Madonna an.

«Ein Gottesdienst an einer bedeutsamen heiligen Stätte ist der
Höhepunkt von Wallfahrten und gibt vielen Gläubigen das Gefühl, Gott

besonders nahe zu sein», erklärte das Erzbistum München und Freising.

Eine Wallfahrt bringe Menschen dazu, «ihre gewohnte Umgebung zu
verlassen, um neue Erfahrungen zu machen und im Unterwegssein, in
Anstrengung, aber auch Stille, Meditation, Gebet und Unterhaltung mit
anderen, den Glauben intensiv zu spüren».