Demenzkranker verhungert: Ehefrau und Sohn vor Gericht

Nur noch 34 Kilogramm wog ein an Demenz erkrankter Mann, bevor er
verhungerte. Die Witwe und der Sohn sitzen wegen fahrlässiger Tötung
auf der Anklagebank. Warum haben sie keinen Arzt geholt?

Würzburg (dpa) - Sie sollen zugelassen haben, dass ihr demenzkranker
Ehemann und Vater verhungerte. Warum riefen die Ehefrau und der Sohn
im August 2017 keinen Arzt für den damals 51-Jährigen? Diese Frage
stand zum Prozessauftakt am Donnerstag vor dem Amtsgericht Würzburg
im Mittelpunkt der Verhandlung. Der Tod durch Verhungern hätte
verhindert werden können, davon geht die Staatsanwaltschaft aus. Sie
wirft der 52-Jährigen und dem 24-Jährigen fahrlässige Tötung vor
(Az.: 803 Js 19428/17).

Der 51-jährige Ehemann und Vater soll mindestens vier Jahre vor
seinem Tod an Alzheimer-Demenz gelitten haben. Seine Ehefrau pflegte
ihn und hatte Vollmachten. Der Sohn lebte im selben Haushalt im
Landkreis Würzburg, kümmerte sich laut Anklage um den Vater und hatte

ebenfalls eine Gesundheitsvollmacht.

Spätestens seit Sommer 2017 soll sich der Zustand des Mannes
verschlechtert haben. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass er
kaum mehr Nahrung aufnehmen konnte. «Haut und Knochen», sei der
51-Jährige gewesen, sagte der Mediziner, der den Tod feststellte, vor
Gericht. Da ihm keine Patientenverfügung vorgelegt werden konnte, die
explizit keine künstliche Ernährung und keine Flüssigkeitsgabe
verlangte, rief er die Polizei.

Bei einer Obduktion wurde festgestellt: Der Mann wog 34 Kilogramm bei
einer Größe von 1,78 Metern. Laut Anklage hatte es eine
Patientenverfügung gegeben, diese sei aber undatiert gewesen.

Für die Vernehmung der Angeklagten wurde die Öffentlichkeit
ausgeschlossen. Laut einem Gerichtssprecher soll die Ehefrau über
ihre persönliche Überforderungen und die Unfähigkeit, Hilfe
anzufordern, berichtet haben. Der Sohn habe sich durch die
Verschlechterung des Gesundheitszustandes seines Vaters ebenfalls
stark belastet gefühlt und sich mehr und mehr aus der Pflege
zurückgezogen. Einem Polizeibeamten zufolge hatte es keine Hinweise
auf äußere Gewalteinwirkung gegeben.

Dass der Mann schon immer sehr schlank gewesen sei, bestätigten drei
Ärzte vor Gericht, die ihn behandelt hatten. Gewichtsverlust sei
zudem ein gewöhnliches Symptom bei Demenz, erklärte einer.

Alzheimer ist laut der Deutschen Alzheimer Gesellschaft die häufigste
Ursache für eine Demenz. Beginnt die chronische Krankheit vor dem 65.
Lebensjahr, soll sie meist rascher als im höheren Alter
fortschreiten.

Das Urteil ist für den 8. Juli geplant.