Curevac-Impfstoff nicht sehr wirksam - Bund sieht keine Auswirkungen Von Sebastian Schlenker und Michel Winde, dpa

Die Hoffnung auf den Corona-Impfstoff des Tübinger Unternehmens
Curevac wurde enttäuscht. Eine EU-Zulassung ist somit zunächst nicht
absehbar. Was bedeutet das für das Impftempo in Deutschland?

Tübingen/Berlin (dpa) - Im Kampf gegen die Corona-Pandemie kann der
Impfstoff des Tübinger Biotech-Unternehmens Curevac in absehbarer
Zeit nicht helfen. Die Wirksamkeit des Impfstoffkandidaten fällt
deutlich geringer aus als bei bereits zugelassenen Impfstoffen. Eine
EU-Zulassung für das Präparat des Unternehmens, an dem auch der Bund
beteiligt ist, ist somit erst einmal nicht absehbar.

WIRKSAMKEIT VON 47 PROZENT: Grund für die Enttäuschung ist eine
Pflichtbörsenmitteilung von Curevac vom Mittwochabend. Darin gibt das
Unternehmen, das mit dem Pharmakonzern Bayer kooperiert, bekannt,
dass sein Impfstoff einer Zwischenanalyse zufolge eine vorläufige
Wirksamkeit von 47 Prozent gegen eine Covid-19-Erkrankung «jeglichen
Schweregrades» hat. Die vorgegebenen statistischen Erfolgskriterien
seien nicht erfüllt. Bei den anderen in der EU zugelassenen
Präparaten liegt der Wert deutlich höher.

Den vergleichsweise niedrigen Wert begründete das Unternehmen am
Donnerstag mit neuen Virusvarianten. «Wir bekämpfen eigentlich ein
anderes Virus», sagte Vorstandschef Franz-Werner Haas. So sei der
Wildtyp des Coronavirus bei der Zwischenanalyse in weniger als einem
Prozent der Infektionsfälle nachgewiesen worden. Alle anderen
Infektionen entfielen auf neuere Virusvarianten.

Der Curevac-Impfstoffkandidat CVnCoV ist schon seit Dezember in der
finalen und zulassungsrelevanten 2b/3-Studienphase. Anfang Juni hieß
es, das Unternehmen erwarte - abhängig von den klinischen
Studiendaten - die Zulassung seines Impfstoffs in der EU bis Ende des
Monats. Kurz darauf wurde bekannt, dass sich das Verfahren weiter
verzögern werde. Bereits im Februar hat die EU-Arzneimittel-Agentur
ein schnelles Prüfverfahren für den Impfstoff gestartet.

KEINE AUSWIRKUNGEN AUF DIE IMPFKAMPAGNE: Das Curevac-Präparat ist
Teil der EU-Impfstoffstrategie, über die auch Deutschland seine Dosen
bezieht. Die Bundesregierung sieht die deutsche Impfkampagne dennoch
nicht gefährdet. «Eine Auswirkung auf das Tempo unserer Impfkampagne
hat diese Mitteilung nicht», sagte ein Sprecher des
Gesundheitsministeriums am Donnerstag. Auch die EU-Kommission geht
weiter davon aus, dass bis Ende Juli genügend Impfdosen geliefert
werden könnten, um den EU-Staaten die Impfung von 70 Prozent ihrer
erwachsenen Bevölkerung zu ermöglichen, wie ein Sprecher sagte.

Das Gesundheitsministerium rechnet derzeit nicht mehr mit Lieferungen
von Curevac, wie aus einer Lieferübersicht im Internet hervorgeht.
Ursprünglich hatte der Bund allerdings auch diesen Impfstoff
eingeplant. Nach Lieferprognosen vom März erwartete das
Gesundheitsressort für das gesamte Jahr 323,7 Millionen Impfdosen -
24,5 Millionen davon sollten von Curevac kommen.

DIE BETEILIGUNG DES BUNDES - UND EINE TALFAHRT AN DER BÖRSE
: Der Bund
war im vergangenen Jahr über die Aufbaubank KfW mit 300 Millionen
Euro bei Curevac eingestiegen. Derzeit hält Berlin laut KfW einen
Anteil von 16 Prozent. Das Wirtschaftsministerium stellte am
Donnerstag klar: «Mit der Beteiligung an Curevac verfolgte und
verfolgt die Bundesregierung gesundheits- und industriepolitische
Ziele.» Es gehe nicht nur darum, mehr Impfstoffproduktion in
Deutschland und Europa anzusiedeln, sondern auch um Forschung. Für
die mRNA-Technologie, die auch bei den Impfstoffen von Moderna und
Biontech/Pfizer zum Einsatz kommt, gebe es viele Anwendungsbereiche,
etwa in der Krebsbekämpfung, betonte eine Sprecherin.

Der Börsenwert von Curevac stürzte am Donnerstag massiv ab. Der
Anteilsschein notierte am Mittag im Xetra-Handel bei rund 43 Euro,
das ist ein Minus von 40 Prozent. Im Tagestief war es sogar um mehr
als 50 Prozent auf gut 39 Euro abwärts gegangen, womit ein Rekordtief
nur knapp vermieden wurde.

CUREVAC FÜR DIE WELT: Das Präparat von Curevac ist auch ein Kandida
t
der internationalen Impfstoffallianz CEPI, einer Zusammenarbeit
zwischen Weltgesundheitsorganisation (WHO), Regierungen, Stiftungen
und Forschungseinrichtungen. Ein vereinbartes CEPI-Budget zur
Forschung und Entwicklung von Curevac betrug 15,3 Millionen Dollar.
Zur Vereinbarung gehörte auch, dass Curevac dem solidarischen
Impfprogramm Covax einen Teil seiner Produktion verkauft und nicht
nur bilaterale Verträge schließt. Covax soll vor allem die faire
Verteilung der Corona-Impfstoffe in aller Welt gewährleisten. CEPI
reagierte am Donnerstag enttäuscht auf die Nachrichten aus Tübingen.
«Das zeigt, was für eine Herausforderung die Entwicklung eines
Impfstoffs sein kann.» Die Pandemie sei längst nicht vorbei. Es sei
wichtig, die Forschung weiter zu fördern, um dem Virus und möglichen
Varianten immer einen Schritt voraus zu sein.

WIE ES WEITERGEHT: Curevac will in den nächsten zwei bis drei Wochen

die finale Analyse von mehr als 200 Infektionen abschließen. «Die
endgültige Wirksamkeit könnte sich noch verändern», teilte Haas mit
.
Ein Sprecher des Verbands forschender Arzneimittelhersteller (vfa)
dämpfte die Erwartungen an eine deutliche Zunahme der Wirksamkeit
jedoch. Die Effizienz eines Impfstoffes könne nach der
Zwischenauswertung bis zur finalen Zulassung noch um wenige Prozent
steigen. «Eine enorme Zunahme ist aber nicht zu erwarten.»

Hoffnung setzt der Sprecher nun vor allem auf die zweite Generation
des Curevac-Impfstoffkandidaten. Diese verfüge über eine grundlegende
Veränderung im Aufbau des Präparats. Sollte sich dieser Impfstoff
bewähren, wäre Curevac bei der künftigen Impfstoffversorgung sicher
dabei, so der Sprecher.