Erinnerung an DDR-Aufstand vor 68 Jahren - Kränze für die Opfer

Sie wollten mehr Demokratie und ein besseres Leben. Hunderttausende
Menschen strömten im Juni 1953 vielerorts auf die Straße. Doch der
Aufstand wurde niedergeschlagen. Die Erinnerung an die Mutigen von
einst soll nicht verblassen, wird am Gedenktag gefordert.

Berlin (dpa) - Mit einem zentralen Gedenken ist in der Hauptstadt an
die Opfer des DDR-Volksaufstandes vom 17. Juni 1953 erinnert worden.
Auf dem Friedhof an der Seestraße legten am Donnerstag
Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) für die Bundesregierung und
Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) Kränze nieder.

Beide würdigten den Mut der Aufständischen vor 68 Jahren, die trotz
Unfreiheit ihre Rechte einforderten und für mehr Demokratie
demonstrierten.

Rund eine Million Menschen waren in der DDR vor 68 Jahren in rund 700
Orten gegen die politisch und wirtschaftlich angespannte Lage auf die
Straße gegangen. Aus spontanen Streiks entwickelte sich ein Aufstand
mit Rufen nach Freiheit und Einheit.

Panzer der Sowjetarmee schlugen den Protest blutig nieder. Rund
10 000 Demonstranten wurden laut Bundesstiftung Aufarbeitung
festgenommen, mehr als 1500 von ihnen zu Haftstrafen verurteilt. Die
genaue Zahl der Todesopfer steht bis heute nicht fest. Laut der
Stasi-Unterlagen-Behörde traf der Aufstand die SED-Führung sowie die
Staatssicherheit überraschend. Sie sprachen von einem «faschistischen
Putsch» - gesteuert vom Westen.

Erst mit der Wiedervereinigung sei das Ziel der Aufständischen von
einst erreicht worden, unterstrich der Kanzleramtsminister. «Der
Wille zur Freiheit und Selbstbestimmung hat gesiegt.» Der Zündstoff
für die damaligen Proteste seien Normerhöhungen der DDR-Führung
gewesen. Wenn es heute etwa um den richtigen Steuersatz oder
Krankenkassenbeiträge gehe - in der Demokratie seien die Menschen
frei, über Lösungen zu streiten, sagte Braun. «Wir haben die
Freiheit, unseren Weg in eigener Verantwortung zu wählen und jeder
darf seine Meinung äußern und sich einbringen».

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) sagte bei dem
Gedenken, für viele Menschen sei ein Leben in Freiheit und Demokratie
längst selbstverständlich. Diese Werte seien aber von früheren
Generationen errungen werden. «Und wir stehen alle gemeinsam in der
Pflicht, sie gegen Anfeindungen und Angriffe zu beschützen.» Die
Frauen und Männer des Volksaufstandes hätten bewiesen, dass es sich
lohnt, für eine freie und demokratische Gesellschaft einzutreten.

Der frühere DDR-Oppositionelle und scheidende Bundesbeauftragte für
die Stasi-Unterlagen, Roland Jahn, schlug im Gespräch mit der
Deutschen Presse-Agentur vor, künftig an Tischen der Demokratie an
die damaligen Proteste zu erinnern. Bei Diskussionen an langen Tafeln
unter freiem Himmel könnten landesweit die Sinne geschärft werden für

Freiheit und Menschenrechte. Der 17. Juni 1953 sollte als besonderer
Tag deutscher Diktatur- und Demokratiegeschichte mehr beachtet
werden. Er habe nie verstanden, warum der 17. Juni als Gedenk- und
Feiertag abgeschafft wurde.

In der Bundesrepublik wurde der 17. Juni nach dem DDR-Aufstand als
«Tag der deutschen Einheit» zum gesetzlichen Feiertag. Mit der
Wiedervereinigung wurde er jedoch gestrichen. «Meine klare Forderung
ist, Opposition und Widerstand in der DDR müssen mehr gewürdigt
werden», sagte Jahn. Nach Ansicht der Aufarbeitungs-Stiftung sollte
der 17. Juni insgesamt ein Gedenktag für die Opfer der SED-Diktatur
sein. Viele Schicksale hätten noch immer nicht die gebührende
öffentliche Aufmerksamkeit, so Stiftungs-Direktorin Anna Kaminsky.

Das zentrale Mahnmal für die Opfer des Aufstandes vom 17. Juni 1953
wurde 1955 auf dem Berliner Friedhof Seestraße eingeweiht. Braun
zufolge wurden hier wenige Tage nach dem Aufstand acht Demonstranten
beigesetzt, die in West-Berliner Krankenhäusern an ihren Verletzungen
starben.