Reiseregeln für den ganzen Sommer - Impfzentren in Bereitschaft Von Michael Donhauser, Sascha Meyer und Basil Wegener, dpa

Die Corona-Lage enspannt sich - trotzdem zeigen sich Bund und Länder
weiter besorgt über die riskanteren Virusvarianten. Doch Deutschland
soll gewappnet bleiben, auch wenn jetzt viele in die Ferien wollen.

München (dpa) - Bei Urlaubsreisen ins Ausland sollen trotz sinkender
Corona-Zahlen den ganzen Sommer über Vorgaben zu Tests und Quarantäne
greifen. «Reisen ja - aber bitte weiterhin mit Vorsicht und Umsicht»,
sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Mittwoch in
München nach Beratungen mit seinen Länderkollegen. Die Regeln für
Reiserückkehrer sollten bis mindestens Mitte September verlängert
werden. Ziel sei auch, den Eintrag riskanterer Virusvarianten so
lange es gehe zu verhindern. Für einen weiteren Betrieb der
regionalen Impfzentren soll ein Konzept erarbeitet werden. Die
Impfkampagne soll nun auch die Zahl der Menschen mit vollem
Impfschutz zügig steigern.

Im Lauf der Woche werde in Deutschland die 50-Prozent-Marke bei den
Erstimpfungen geknackt, so Spahn. Bis Ende Juli, Anfang August solle
jedem Erwachsenen, der sich impfen lassen will, ein Impfangebot
gemacht werden. Wichtiger als mitunter angenommen sei die
Zweitimpfung - erst sie schütze etwa gegen die Delta-Variante des
Coronavirus. 48,9 Prozent der Bevölkerung haben mittlerweile die
Erstimpfung, 27,6 Prozent den vollen Impfschutz.

REISEN:

Zum Start der Sommerreisesaison rief Spahn zu Vorsicht im Urlaub auf.
Die Gesundheitsminister hätten sich verständigt, dass die Reiseregeln
bis mindestens Mitte September weiter gelten sollten - «mindestens
bis zum Ende der Reisezeit», betonte Spahn. Festgehalten wird an der
generellen Testpflicht für Flugreisende vor dem Abflug. Im Straßen-
und Bahnverkehr an den Grenzen soll es verstärkt Kontrollen geben.

Spahn nannte die Regeln noch einmal: Wer aus Risikogebieten
zurückkehrt, muss 10 Tage in Quarantäne, außer man weist aktiv eine
Negativtestung nach. Wer aus Hochinzidenzgebieten einreist, muss 10
Tage in Quarantäne - frühestens nach 5 Tagen ist eine Freitestung
möglich. Bei der Rückkehr aus einem Virusvariantengebiet gilt 14 Tage
Quarantäne ohne Möglichkeit zum Freitesten. Welche Länder so
eingestuft sind, veröffentlicht das Robert Koch-Institut (RKI).

TESTS UND LONG COVID:

Die Länder wollen zudem flächendeckende Schnelltests zwei Mal pro
Woche in Schulen und Kitas aufrechterhalten. Bund und Länder wollen
über den Sommer ein Konzept erarbeiten, um kostenlose Bürgertests
gegebenenfalls auch im Herbst und Winter fortzusetzen. Firmen sollen
verpflichtet werden, in Präsenz arbeitenden Mitarbeitern weiterhin
zunächst bis Ende September regelmäßig ein Testangebot zu machen.
Weiter soll mit einem Nationalen Aktionsplan den Langzeitfolgen von
Corona begegnet werden. Behandlungs- und Selbsthilfestrukturen zum
Post-COVID-Syndrom sollen geschaffen werden.

REGIONALE IMPFZENTREN:

Sie sollen über den Sommer hinaus in Bereitschaft gehalten werden -
etwa falls sie für Auffrischimpfungen gebraucht werden. Bund und
Länder vereinbarten, dass die Länder binnen zwei, drei Wochen ein
entsprechendes Bereitschaftskonzept entwickeln, wie Spahn mitteilte.
Gewährleistet werden solle ein Mindestbetrieb der Zentren. Bei Bedarf
sollten die Zentren schnell wieder hochgefahren werden. Der Bund sei
weiter zur Finanzierung bereit, vorerst ist es bis Ende September
vereinbart. In mehreren Ländern gibt es aber Pläne zu einem längeren

Erhalt der Zentren, etwa in Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und
Bayern.

KINDER UND JUGENDLICHE:

Alarmiert zeigten sich die Ministerinnen und Minister über Berichte,
nach denen Minderjährige am meisten durch die Pandemie gelitten
hätten. Nun fordern sie, der Bundestag möge eine Enquête-Kommission
«Kindergesundheit in Pandemiezeiten» einrichten - Thema soll sein:
die schädlichen Folgen der Corona-Pandemie für die physische und
psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen. Auch die Spät-
und Langzeitfolgen der der Corona-Schutzmaßnahmen sowie einer
COVID-19-Erkrankung bei Kindern sollen analysiert werden. Bayerns
Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) sagte: «Kinder dürfen
nicht durch Lockdown und Schutzmaßnahmen zu Corona-Verlierern
werden.»

Spahn befürwortet es nach eigenen Worten, wenn im Schulunterricht
vorerst noch eine Corona-Maskenpflicht beibehalten wird. Er habe
«großes Verständnis» für die Bundesländer, die zumindest bis in
die
Sommerferien hinein dieses Maß an Sicherheit geben wollten,

Das Paul-Ehrlich-Institut soll zudem fortlaufend zum Kenntnisstand
über Corona-Impfstoffe für Kinder berichten. Das RKI und die Ständige

Impfkommission sollen weiterhin analysieren, «inwieweit und unter
welchen Umständen eine Corona-Impfung für Kinder sinnvoll und
empfohlen ist». Die Impfkommission hatte die Impfung ab 12 nur bei
bestimmten Vorerkrankungen empfohlen.

PROTESTE UND FRUST:

Mit von der Gewerkschaft Verdi organisierten Proteste machten
Beschäftigte in Klinik und Altenpflege auf ihre oft angespannte
Arbeitssituation aufmerksam. So gaben bei einer Umfrage von Verdi in
Kliniken und Pflegeeinrichtungen 52 Prozent der Befragten an, dass
sie mit ihren Aufgaben innerhalb eines Arbeitstages nur eingeschränkt
oder gar nicht fertig werden können.

Spahn wehrte sich vor den Demonstranten in München gegen Vorwürfe,
die Bundesregierung habe ihre Versprechen an das Pflegepersonal
gebrochen. Zahlreiche Zusagen seien eingehalten worden. Kernproblem
bleibe aber der Personalmangel, sagte er bei der Veranstaltung, wo er
sich einen verbalen Schlagabtausch mit Verdi-Vorstandsmitglied Sylvia
Bühler lieferte.