Bischof Jung hält Vorwürfe um «rituellen Missbrauch» für plausibe l

Im Missbrauchsskandal der katholischen Kirche erheben ehemalige
Heimkinder aus Würzburg schwere Vorwürfe gegen Nonnen. Jetzt äußert

sich der Bischof dazu.

Würzburg (dpa) - Der Würzburger Bischof Franz Jung hält den Vorwurf
des «rituellen Missbrauchs» in einem Kinderheim, in dem
Erlöserschwestern arbeiteten, für plausibel. Das gründete vor allem
auf «Informationen der Missbrauchsbeauftragten der Diözese Würzburg
und auf persönlichen Gesprächen des Bischofs mit der Betroffenen»,
sagte der Sprecher der Diözese Würzburg, Bernhard Schweßinger, am
Mittwoch. Zuvor hatte die «Main-Post» berichtet.

Vergangene Woche wurden Vorwürfe von Übergriffen durch Geistliche und
Nonnen im ARD-Politikmagazin «report München» in dem Heim in Würzbu
rg
bekannt, die vor etwa 40 und über 50 Jahren passiert sein sollen.
Nonnen der Kongregation Schwestern des Erlösers waren bis Mitte der
90er in dem Heim tätig.

Als rituellen Missbrauch bezeichnet man schwere sexuelle, physische
und emotionale Übergriffe, die «mit wiederkehrenden Symboliken,
gleichförmigen Handlungen und kultisch-rituellen Vollzügen»
einhergehen, wie eine Kommission des Bundestages 1998 definierte.

In dem Fernsehbeitrag berichtet eine 61-Jährige, die als Sechsjährige
für mehrere Monate in der Einrichtung lebte: «Ich lag hier als Kind
auf einer Matratze und hier standen vier Männer. Ein Priester, der
fotografiert hat, mit Blitz, hier dieser Typ im Bischofsgewand und
zwei andere noch, auch Priester.»

Ein anderer Betroffener sagte, dass er schwer körperlich misshandelt
worden sei. Eine Nonne bestätigte gegenüber «report München» eine
n
sexuellen Missbrauch an dem Jungen sowie «körperliche Züchtigung».

Sowohl der Orden der Erlöserschwestern als auch das Bistum Würzburg
haben Aufarbeitungskommissionen angekündigt. Die Staatsanwaltschaft
hatte die Ermittlungen 2019 in beiden Fällen wegen Verjährung
eingestellt.

Man arbeite mit Hochdruck an der Kommission, sagte eine Sprecherin
der Erlöserschwestern am Mittwoch. «Wir nehmen die Aussagen von
Betroffenen sehr ernst und gehen jedem Vorwurf detailliert nach.»
«Rituellen Missbrauch» durch Geistliche halte die Kongregation auf
der Basis der vorliegenden Unterlagen und auf Aussagen noch lebender
Ordensschwestern jedoch für nicht plausibel.

Ordensschwestern hätten berichtet, dass in dem Heim keine Geistlichen
lebten, angestellt oder seelsorgerisch für Kinder zuständig waren,
schreibt die «Main-Post» und beruft sich auf Aussagen der
Kongregation. «Daher ist es für uns nicht nachvollziehbar, dass
Geistliche mit den Kindern Kontakt hatten oder gar nachts ins Heim
gekommen sein sollen. Die Geistlichen hatten keinen Schlüssel für das
Gebäude», wird die Sprecherin der Erlöserschwestern zitiert.

«Was Bischof Jung intern geprüft hat, wissen wir nicht», sagte die
Sprecherin der Erlöserschwestern auf Anfrage. Die Kongregation habe
Bischof Jung Ende Mai um ein Gespräch gebeten. Das Bistum erklärte,
Gespräche zur Klärung der Vorwürfe seien mit den Schwestern geplant.


Der Therapeut Jörg Jaegers hat Betroffene von rituellem Missbrauch
behandelt und hält auch ein Netzwerk zwischen Schwestern und
Geistlichen für möglich. Ob es Verbindungen von Würzburger
Heimkindern nach Oberammergau gibt, müsse noch geprüft werden. «Es
gibt aber Hinweise aus dem Betroffenenkreis», sagte Jaegers der
«Main-Post».

Die Staatsanwaltschaft München II hatte im Februar nach
Missbrauchsvorwürfen in zwei früheren Kinderheimen in Oberammergau
und Feldafing in Oberbayern Vorermittlungen eingeleitet. Im Raum
stehen Vorwürfe der Gewalt, des sexuellen Missbrauchs und der
Zwangsprostitution in den 1960er und 1970er Jahre. Das Heim in
Oberammergau wurde damals von Nonnen geleitet, deren Orden schon
wegen Missbrauchsvorwürfen in Speyer in die Schlagzeilen geraten war.

Vorwürfe gegen Frauen seien dem Therapeuten Jaegers zufolge immer
noch ein Tabu. «Aber Betroffene erzählen von Ordensschwestern, die
sie ebenso missbraucht hätten wie Mönche und Priester. Und oft seien
sie gemeinsam daran beteiligt gewesen. Oder von Schwestern, die es
wussten und billigten.»