Junge Menschen sind Corona-müde - aber zuversichtlich Von Thomas Strünkelnberg, dpa

Erst als Party-Macher verunglimpft, dann als psychisch belastet
erkannt: Die Corona-Pandemie hat vor allem jungen Menschen viel
abverlangt, von der «Generation Corona» ist oft die Rede. Aber stimmt
das überhaupt?

Hannover (dpa) - Weder «Generation Corona» noch «lost generation»:

Junge Menschen wurden zu Beginn der Pandemie oft als
verantwortungslose Party-Macher beschrieben, jetzt gelten sie als
psychisch stark belastet. Aber die meisten jungen Menschen in Europa
blicken trotz aller Belastungen und massiver Corona-Müdigkeit
optimistisch in die Zukunft.

Die am Mittwoch vorgestellte Jugendstudie der Tui-Stiftung ergab: In
Deutschland äußern sich zwei Drittel der Befragten optimistisch über

ihre Zukunft, in Europa sind es 64 Prozent. In Spanien, Italien und
Polen allerdings sank der Anteil der Optimisten in den vergangenen
Jahren spürbar.

«Es ist beeindruckend, mit welchem Optimismus die 16- bis 26-Jährigen
in Europa in die Zukunft nach Corona blicken», sagte Thomas
Ellerbeck, Vorsitzender des Kuratoriums der Stiftung. Junge Leute
hätten viele Einschränkungen in Schule, Studium, Sport und bei
Treffen im Freundeskreis erlebt: «Gleichzeitig ist ihre Grundstimmung
und Motivation positiv.»

Seine momentane Gefühlslage beschrieb jeder zweite Befragte aber eher
negativ - nämlich mit «müde», «unsicher», «genervt» und «
gestresst».
52 Prozent sagten, ihre Lebenssituation habe sich verschlechtert - in
Deutschland waren es 46 Prozent, in Griechenland aber 65 Prozent.
Fast vier von zehn jungen Menschen verloren in den vergangenen
Monaten den Job oder verdienten weniger - in Deutschland waren es 29
Prozent, in Griechenland 58 Prozent. Vor allem in südeuropäischen
Länder und ärmeren Haushalten ging es ihnen schlechter.

Als besonders belastend empfanden 72 Prozent der jungen Menschen das
fehlende öffentliche und soziale Leben. 60 Prozent machen sich
Sorgen, dass dies auch künftig so bleibe. Die 20 Jahre alte Berliner
Studentin Stella Tringali meinte, zu Beginn habe sich die Pandemie
wie ein ewiger Sonntag angefühlt - das «hat sich zum ewigen Dienstag
gewandelt». Nun sinken die Infektionszahlen: «Jetzt wird jeder
Café-Besuch total zelebriert.»

Für die Studie befragte das Meinungsforschungsinstitut YouGov im
April mehr als 6200 junge Menschen in Deutschland, Großbritannien,
Frankreich, Spanien, Italien, Griechenland und Polen. Allein in
Deutschland waren es 1004.

Wie im Vorjahr hielten sich Jugendliche und junge Erwachsene meist an
die Corona-Regeln. Knapp ein Fünftel (19 Prozent) gaben an, diese zu
ignorieren, 74 Prozent hielten sich daran. Trotz der Dauer der
Pandemie veränderte sich dieser Anteil in Deutschland zwischen
September 2020 (83 Prozent) und April 2021 (80 Prozent) kaum.

Das sei «eines der zentralen Ergebnisse dieser Studie», sagte Marcus
Spittler vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung. Wer das
Bild einer unsolidarischen Jugend zeichnen wolle, werde scheitern.
Die meisten wollen sich auch impfen lassen - 45 Prozent ohne Zweifel,
12 Prozent «mit einem schlechten Gefühl». Nur 17 Prozent in den sechs

Staaten sind dagegen.

Deutlich verändert hat sich der Studie zufolge die Bewertung der
Corona-Maßnahmen unter jungen Menschen in Deutschland: Hielten im
September 2020 noch 52 Prozent der Befragten diese für angemessen und
5 Prozent für nicht ausreichend, bewerteten im April 2021 immerhin 54
Prozent sie als nicht ausreichend. 16 Prozent fanden sie angemessen.

Das Pandemie-Management der EU bewerteten 40 Prozent der jungen
Menschen in Europa als mittelmäßig, 31 Prozent fanden es schlecht,
nur 16 Prozent gut. Besonders schlechte Noten erhielt die EU von
jungen Menschen in Deutschland und Großbritannien.

Auch andere Studien kamen zu dem Ergebnis, dass der seelische Druck
junger Menschen in der Pandemie gestiegen ist. Von Einsamkeit und
Zukunftsängsten berichteten Jugendliche demnach. Das treffe vor allem
auf diejenigen zu, denen im Lockdown Orte fehlten, um sich
auszutauschen. Auch finanzielle Sorgen belasteten, die Betroffenen
litten oft unter Zukunftsängsten. Die Forscher der Frankfurter
Goethe-Universität hatten mit Kollegen der Universität Hildesheim
über 7000 junge Menschen online befragt - im vergangenen November.

Trotz der Pandemie hielten 41 Prozent der Befragten laut Jugendstudie
der Tui-Stiftung Umwelt- und Klimaschutz für die wichtigsten Probleme
- vor Wirtschafts- und Finanzpolitik (32 Prozent) sowie Migration und
Asyl (31 Prozent). Über ein Drittel der Befragten ist dafür, schon
mit 16 zu wählen, vor allem in Großbritannien und Deutschland.

Junge Menschen könnten so gut wie Erwachsene eine Partei finden, die
zu ihren Einstellungen passe, betonte Spittler. Zu fehlen scheine das
Selbstbewusstsein, sich in den politischen Dialog einzubringen, sagte
die Geschäftsführerin der Stiftung, Elke Hlawatschek. Der Vorsitzende
des Bundesjugendkuratoriums, Wolfgang Schröer von der Universität
Hildesheim, hatte kürzlich erklärt, in der Corona-Krise seien die
Kinderrechte auf Beteiligung vernachlässigt worden.