Impfzentren vor Verlängerung - Frust in Kliniken und Pflege groß

Die Gesundheitsminister beraten nächste Schritte - damit es auch bei
der Beruhigung der Corona-Lage bleibt. Im Fokus dabei: die weiteren
Massenimpfungen. Beschäftigte von Kliniken und Heimen wollen die
Beratungen nutzen, um auf ihre Lage aufmerksam zu machen.

Berlin/München (dpa) - Die Gesundheitsminister von Bund und Ländern
beraten an diesem Mittwoch über die Zukunft der regionalen
Impfzentren und die Corona-Folgen bei Kindern und Jugendlichen. Die
Zukunft der Impfzentren ist offen, mehrere Länder wollen die
Einrichtungen länger als bisher geplant weiterführen, wie eine
Umfrage der Deutschen Presse-Agentur ergab. Geplant sind auch
Schritte gegen Langzeitfolgen von Covid-Erkrankungen, wie der
Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz und bayerische
Ressortchef Klaus Holetschek (CSU) im Vorfeld in München sagte.

IMPFZENTREN:

So will Niedersachsen die Impfzentren etwa über die bisher angepeilte
Schließung Ende September hinaus betreiben, um schnellen
Impffortschritt zu gewährleisten. Ähnlich sieht es in
Mecklenburg-Vorpommern aus und Bayern aus. Der Bund müsse die
Finanzierung bis Ende des Jahres sicherstellen, forderte Bayerns
Ressortchef Holetschek.

Eine Sprecherin des sachsen-anhaltischen Sozialministeriums sagte,
die Finanzierung der Impfzentren stehe bis Ende September. «Wir gehen
im Augenblick davon aus, dass sie über den Sommer weiterarbeiten
werden.» In Bremen hieß es bei der Gesundheitsverwaltung: «Wir plan
en
aktuell noch, wie es mit den Impfzentren weitergehen wird.» In
Hamburg hängen die Planungen von der weiteren Impfkampagne ab. In
Brandenburg sollen neun von elf Zentren erhalten bleiben.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte nach der
Ministerpräsidentenkonferenz vergangene Woche gesagt, die
Gesundheitsminister sollten darüber beraten, inwiefern die
Impfzentren der Länder in gewissem Umfang erhalten bleiben sollen -
auch mit Blick auf mögliche Auffrischungsimpfungen im Herbst.

POSITIONEN VOR DEN BERATUNGEN:

Holetschek sagte: «Ich glaube, dass wir die Impfzentren bis Ende des
Jahres weiter brauchen werden und dass der Bund da weiter finanzieren
muss.» Konzeptionelle Änderungen etwa hin zu mehr mobilen Teams seien
denkbar. In den Ländern wurde auch betont, dass die Impfzentren eine
Übergangslösung seien.

Die Kassenärzte wiesen darauf hin, dass ein Großteil der Impfungen
bereits in den Praxen verabreicht wurde. So hätten die
niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte seit Beginn der Impfkampagne in
den Praxen Anfang April 2021 über 20,4 Millionen Impfdosen gespritzt,
so das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi). Die
Corona-Auffrischungsimpfungen könnten problemlos in den Arztpraxen
gemacht werden.

KINDER UND JUGENDLICHE:

Die Bundespsychotherapeutenkammer forderte mehr
Behandlungsmöglichkeiten sowie mehr darüber hinausgehende
Alltagsangebote für belastete Kinder und Jugendliche. Gestiegen sei
der Behandlungsbedarfs infolge Corona. Nun müssten kurzfristig mehr
befristete Praxissitze für psychotherapeutische Behandlung zugelassen
werden.

Für belastete Jugendliche müsste es nun ferner um die Stärkung der
psychischen Gesundheit gehen - etwa durch Sport-, Freizeit- und
Kulturangebote. Erziehungs- und Familienberatungsstellen müssten
gestärkt, Kooperationen zwischen Jugendhilfe und Therapeuten
intensiviert werden.

PROTESTE UND FRUST:

Von der Gewerkschaft Verdi organisierte Proteste sollen am Mittag vor
den Gesundheitsministerien der Landeshauptstädte stattfinden. Auf dem
Max-Joseph-Platz in München werden Bundesgesundheitsminister Jens
Spahn (CDU) und Holetschek erwartet. Die Proteste richten sich gegen
die angespannte Arbeitssituation vieler Beschäftigter.

So gaben bei einer Umfrage von Verdi in Kliniken und
Pflegeeinrichtungen 52 Prozent der Befragten an, dass sie mit ihren
Aufgaben innerhalb eines Arbeitstages nur eingeschränkt oder gar
nicht fertig werden können.

78 Prozent der Befragten können sich nicht vorstellen, mit der
derzeitigen Personalausstattung in ihrem Bereich bis zur Rente zu
arbeiten. Im Krankenhausbereich sind es sogar 83 Prozent. Die
Ergebnisse lagen der Deutschen Presse-Agentur in Berlin vor.

Über ein Jahr nach Pandemiebeginn sagen noch 18 Prozent der
Beschäftigten, dass sie nur teilweise, eher nicht oder überhaupt
nicht stets genügend Corona-Schutzausrüstung zur Verfügung haben. 73

Prozent der Befragten in der Altenpflege geben an, nicht genug Zeit
für Gespräche mit den Pflegebedürftigen zu haben. 48 Prozent der
Befragten im Service-Bereich - etwa Reinigung - geben an, mit ihrem
Gehalt nicht gut auszukommen. Verdi befragte nach eigenen Angaben 12
000 Beschäftigte in Kliniken, Altenpflege und Service.

REISEN UND DIE DELTA-VARIANTE

Auf Vorschlag von Niedersachsen und der Bundesregierung sollen sich
die Minister auch mit der Frage beschäftigen, ob wegen der um sich
greifenden, noch ansteckenderen und wohl auch gefährlicheren
Delta-Variante neue Reisebeschränkungen im Sommer gelten sollen.