im 7. Absatz) Ein Jahr Corona-Warn-App: Vertrauen der Bevölkerung steigt Von Christoph Dernbach, dpa

«Zahnloser Tiger», «nutzlos», «Totalausfall»: Die Vorbehalte be
i
manchen Bürgern und Politikern gegen die Corona-Warn-App sind auch
nach einem Jahr nicht verschwunden. Dabei wirkt die App. Und mit
einer wachsendem Nutzung könnte die Wirkung noch gesteigert werden.

Berlin (dpa) - Die Einführung der offiziellen Corona-Warn-App des
Bundes vor einem Jahr sollte wohl an die erste Mondlandung erinnern:
«Die App herunterzuladen und zu nutzen, das ist ein kleiner Schritt
für jeden von uns, aber ein großer Schritt für die
Pandemiebekämpfung», sagte damals Kanzleramtsminister Helge Braun
(CDU). Er lehnte sich dabei an die legendären Worte von Neil
Armstrong vom großen Sprung für die Menschheit an, bevor der
Astronaut als erster Mensch den Mond betrat.

Die offizielle Corona-Warn-App des Bundes erfasst mit Hilfe von
Bluetooth-Signalen, welche Smartphones einander nahe gekommen sind,
und benachrichtigt die Anwender dann über riskante Begegnungen. Dabei
wurde ein Datenschutzkonzept umgesetzt, das als vorbildlich gilt:
«Die Corona-Warn-App verdient eine uneingeschränkte Empfehlung, weil
sie nicht schaden kann», sagt der Softwareentwickler Henning Tilmann.
«Sie arbeitet im Hintergrund, verbraucht kaum Akkuleistung. Sie
verwendet keine persönlichen Daten», so der Co-Vorsitzende des
Digitalvereins «D64 - Zentrum für digitalen Fortschritt».

Die App wurde am 16. Juni 2020 in den Stores von Apple und Google
veröffentlicht. Seit dem vergangenen Dezember ist auch eine
inoffizielle Version («Corona Contact Tracing Germany (CCTG)»)
verfügbar, die auch auf Android-Smartphones läuft, die nicht über
Google-Dienste verfügen.

In den ersten Monaten entwickelte sich die Verbreitung sehr
dynamisch. Im September 2020 hatte das Robert Koch-Institut (RKI)
über 18 Millionen Downloads in den Stores von Google und Apple
registriert. Danach flachte die Kurve allerdings deutlich ab. Zuletzt
verzeichnete das RKI 28,3 Millionen Downloads.

Im internationalen Vergleich steht die App damit gut dar. Trotzdem
wird ihre Wirksamkeit immer wieder in Frage gestellt. So stellte
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) die Corona-Warn-App in
einem Zeitungsinterview als Flop da. «Die App ist leider bisher ein
zahnloser Tiger. Sie hat kaum eine warnende Wirkung», sagte der
Politiker im vergangenen Oktober den Zeitungen der Funke
Mediengruppe.

Söder setzte sich damals immerhin für ein «digitales Update» ein,
«um
alle Möglichkeiten auszuschöpfen, damit die Corona-App wirksam wird».

Die AfD lehnt als einzige Partei im Deutschen Bundestag dagegen die
App ganz grundsätzlich ab, weil sie ein «Totalausfall»,
«Überwachungs-App» und «Steuerverschwendung» sei.

Konkrete Zahlen zur Wirksamkeit der App, die auch in der Anwendung
selbst präsentiert werden, widersprechen der These vom
«Totalausfall». Danach haben inzwischen knapp eine halbe Million
Menschen über die App andere Personen vor einer gefährlichen
Risiko-Begegnung gewarnt. Dadurch wurden nach Angaben aus
Regierungskreisen in über 200 000 Fällen Infektionsketten
unterbrochen. Die Zahl der relevanten Warnungen könnte aber noch viel
höher sein, wenn alle Anwenderinnen und Anwender der App, die positiv
getestet wurden, diese schlechte Nachricht auch in die App eintragen
würden. Anfangs trauten sich aber nicht einmal 40 Prozent der
Betroffenen, diese Alarmkette auszulösen.

Ein Jahr nach der Vorstellung der offiziellen Corona-Warn-App können
sich allerdings immer mehr Menschen in Deutschland vorstellen, der
Anwendung auch ein positives Testergebnis anzuvertrauen. Das ergab
eine repräsentative Umfrage des Digitalverbandes Bitkom, die der
Deutschen Presse-Agentur vorliegt.

72 Prozent derjenigen, die die App installiert haben oder dies
planen, würden ein positives Ergebnis in der App teilen. Im Januar
2021 waren es nur 62 Prozent. 33 Prozent hatten zum Jahresbeginn
eingeräumt, andere App-Anwender im Falle einer eigenen Infektion
trotz der durch die App gesicherten Anonymität nicht warnen zu
wollen. Dieser Anteil sank nun auf nur noch 22 Prozent.

Eine Mehrheit derjenigen, die ein positives Ergebnis nicht teilen
würden, sorgt sich, dass die eigenen Daten nicht anonym sind (79
Prozent). 35 Prozent aus dieser Gruppe wollen grundsätzlich keine
Gesundheitsdaten teilen. Fünf Prozent sehen sich technisch
außerstande.

Bitkom-Präsident Achim Berg sagte, die App habe sehr wertvolle
Dienste geleistet: «Sie funktioniert, sie ist kostenlos und sie
schützt die persönlichen Daten optimal.» Die Anwendung habe
Menschenleben gerettet. Berg betonte, entscheidend sei, dass wirklich
alle Nutzerinnen und Nutzer ihre Testergebnisse über die App teilen.
«Wir schlagen daher bei einem positiven Testergebnis eine
automatische Warnmeldung mit Widerspruchsmöglichkeit vor. Das würde
die Hürden für jeden Einzelnen senken und die Wirksamkeit der App
weiter steigern.»

Damit sich die Wirksamkeit der App erhöht, müsste sich aber nach
Einschätzung von Experten auch noch eine zweite Kennzahl signifikant
verbessern, nämlich die Nutzung der App selbst. Bei der
Bitkom-Umfrage sagten 36 Prozent der Menschen, sie hätten die App
installiert. Hochgerechnet auf die Gesamtbevölkerung wären das über
29 Millionen. Weitere sechs Prozent planen demnach, dies künftig zu
tun. Insgesamt 55 Prozent der Befragten nutzen die Corona-Warn-App
nicht, wovon 22 Prozent kein Smartphone besitzen. Acht Prozent haben
die Corona-Warn-App bereits wieder deinstalliert, 25 Prozent haben
generell kein Interesse.

Wenn aber bislang nur 36 Prozent der Erwachsenen die App auf ihrem
Smartphone aktiviert haben, dann wird von denen auch nur 36 Prozent
der Kontakte erreicht. Damit werden rein rechnerisch knapp 13 Prozent
(0,36 x 0,36) aller Fälle erfasst. Um auf einen Wert von 50 Prozent
erfasster Fälle zu kommen, müssten mehr als 70 Prozent der
Erwachsenen die Corona-Warn-App verwenden. Experten verweisen in
diesem Zusammenhang auch stets darauf, dass die App selbst mit den zu
niedrigen Nutzungszahlen nicht irrelevant ist, denn schließlich zähle
jeder einzelne Fall.