Warnungen vor schnellem Ende der Maskenpflicht - außer draußen

Welche Vorsichtsmaßnahmen sind noch nötig, wenn die Ansteckungen mit
dem Coronavirus weiter zurückgehen? Bei Masken, an die sich viele
gewöhnt haben, wird deutlich: Es kommt auf draußen oder drinnen an.

Berlin (dpa) - Trotz sinkender Infektionszahlen wollen Politik und
Wirtschaft vorerst überwiegend an der Maskenpflicht als Corona-Schutz
festhalten. Lockerungen im Freien rücken aber zusehends in den Blick.
Die Bundesregierung mahnte auch angesichts neuer Virusvarianten zur
Vorsicht vor allem in Innenräumen. «Wir haben alle mehr davon, wenn
wir uns noch ein wenig disziplinieren», sagte Vize-Sprecherin Martina
Fietz am Montag in Berlin. Auch von Ländern, Kommunen und dem Handel
kamen Warnungen vor zu raschen Lockerungen. Bundesgesundheitsminister
Jens Spahn (CDU) befürwortete ein Ende der Maskenpflicht draußen als
ersten Schritt. Aus der Opposition kamen gegensätzliche Forderungen.
Auch Wissenschaftler meldeten sich mahnend zu Wort.

Spahn sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Montag): «Bei den
fallenden Inzidenzen sollten wir gestuft vorgehen: In einem ersten
Schritt kann die Maskenpflicht draußen grundsätzlich entfallen.» Dies

beziehe sich schon «auf den aktuellen Zustand» der Pandemie, erklärte

ein Ministeriumssprecher auf Nachfrage. Für Open-Air-Konzerte und
andere Zusammenkünfte müssten regionale Hygienekonzepte gelten. Der
Vorstandschef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas
Gassen, sagte der «Rheinischen Post» (Dienstag): «In Außenbereichen

kann eine Maskenpflicht eigentlich sofort wegfallen.»

Der Handelsverband Deutschland reagierte zurückhaltend auf Rufe nach
einem Ende der Maskenpflicht. «Wir müssen jetzt alles vermeiden, was
die erfolgreiche Bekämpfung der Pandemie gefährdet und möglicherweise

in einen nächsten Lockdown führt.» Kunden und Händler hätten sich
an
die Maskenpflicht gewöhnt. Sie sollte erst abgeschafft werden, wenn
Experten aus Medizin und Politik es für verantwortbar halten.

Der Verband der Verkehrsunternehmen erklärte, wenn sich der Trend der
deutlich abschwächenden Pandemie bestätigen sollte, wolle man sich
mit der Politik über eine schrittweise Rücknahme der Maskenpflicht in
Bussen und Bahnen austauschen. Eine Idee wie in Dänemark, zwischen
stehenden und sitzenden Fahrgästen im Öffentlichen Nahverkehr zu
unterschieden, sei allerdings in der Umsetzung nicht praktikabel.

Der Vorsitzende des Deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter Meidinger,
sagte der Deutschen Presse-Agentur: «Es ist zwar richtig, dass Masken
eine Belastung für die Betroffenen sind, sowohl für Lehrkräfte als
auch für Schüler. Aber in der Gesamtabwägung warnen wir vor einer
vorschnellen Abschaffung.» Es gebe erhöhte Infektionszahlen bei
Kindern und Jugendlichen, die bisher kaum geimpft seien. Auch rund
50 Prozent aller Lehrkräfte hätten noch keinen vollen Impfschutz.

Aus Sicht des Deutschen Städte- und Gemeindebunds muss das Ende der
Maskenpflicht «der letzte Schritt» bei Lockerungsmaßnahmen sein.
Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg sagte dem «Handelsblatt»: «In

Innenräumen, beim Einkaufen und in öffentlichen Verkehrsmitteln
sollte die Maskenpflicht aber zunächst einmal bestehen bleiben.»

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) hatte am Wochenende
darauf verwiesen, dass die Länder laufend prüfen müssten, ob und wo
die Maskenpflicht noch verhältnismäßig ist. Sie ist in Verordnungen
der Länder geregelt. Für draußen gibt es zum Beispiel Vorgaben für

belebte Plätze und Einkaufsstraßen, teils auch für Spielplätze.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagte, er rate zur
Zurückhaltung. Die Maske sei neben der Impfung eines der wenigen
wirksamen Instrumente gegen Corona. Berlins Regierender Bürgermeister
Michael Müller (SPD) sagte in der ARD: «Draußen denke ich schon, da
ss
wir uns jetzt doch sehr schnell mehr zutrauen können.» Bei sinkenden
Infektionszahlen und steigender Impfquote erwarteten viele, dass die
FFP2-Maskenpflicht zurückgenommen oder in Außenbereichen aufgegeben
werde. Müller warnte jedoch, es sei beim Reisen, im öffentlichen
Nahverkehr und in geschlossenen Räumen weiter Vorsicht angebracht.

Mehrere Landeskabinette wollen über Änderungen beraten. So soll es in
Sachsen-Anhalt um einen Vorschlag gehen, die ab Klasse 7 geltende
Maskenpflicht im Unterricht abzuschaffen. Mecklenburg-Vorpommerns
Gesundheitsminister Harry Glawe (CDU) sagte: «Bei weiter so sinkenden
Inzidenzen wäre die Abschaffung der Maskenpflicht im Freien denkbar.»
Der Hamburger Senat will ebenfalls beraten. Denkbar sei etwa, die
Maskenpflicht im öffentlichen Raum anzupassen und in einem weiteren
Schritt die Notwendigkeit von FFP2-Masken abzuschaffen, hieß es.

Linke-Chefin Susanne Hennig-Wellsow nannte es «völlig falsch», jetzt

über eine generelle Aufhebung der Maskenpflicht zu debattieren. Es
sei «dringend notwendig, dass wir überall dort, wo viele Menschen
aufeinandertreffen, sei es beim Einkaufen, beim Zugfahren, sei es
möglicherweise auch in den Schulen, weiter auf Maskenpflicht setzen.»
Der Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen sagte der «Rheinischen
Post» (Dienstag), wo Ungeimpfte im Innenbereich ohne nötigen Abstand
aufeinandertreffen, sollten Masken getragen werden. «Ausgenommen
werden können das eigene Fahrzeug und die eigene Wohnung, denn auch
dort gilt in einigen Bundesländern Maskenpflicht.»

FDP-Gesundheitsexpertin Christine Aschenberg-Dugnus forderte einen
Fahrplan für einen Ausstieg aus der Maskenpflicht. «An der frischen
Luft ist eine Übertragung des Virus quasi ausgeschlossen.» Bis eine
Impfquote von 75 bis 80 Prozent erreicht sei, könne die Maskenpflicht
etwa in öffentlichen Verkehrsmitteln aber noch nötig sein.
AfD-Fraktionsvize Sebastian Münzenmaier forderte in der «Welt», die
Maskenpflicht müsse deutschlandweit aufgehoben werden.

Nach Ansicht von Wissenschaftlern könnte eine generelle Aufhebung der
Maskenpflicht ein Wiederaufflammen der Pandemie nach sich ziehen.
«Wenn wir nach dem Wegfall der Testpflicht in vielen Situation nun
auch noch die Maskenpflicht fallen lassen, sind wir im Grunde in
einem ungestörten Leben wie vor der Pandemie», sagte Eberhard
Bodenschatz vom Max-Planck-Institut für Dynamik und
Selbstorganisation in Göttingen am Montag der Deutschen
Presse-Agentur (dpa). Das Virus aber sei noch da und wesentlich
infektiöser durch Mutationen. «Warum soll die Pandemie dann nicht
wiederkommen?».

Hajo Zeeb vom Leibniz-Institut für Präventionsforschung und
Epidemiologie in Bremen sagte der dpa. «In der Tat droht - siehe
Großbritannien - eine vierte Welle, wenn Maßnahmen sehr weitgehend
beendet werden», sagte der Epidemiologe der dpa. Die Präsidentin der
Deutschen Gesellschaft für Epidemiologie, Eva Grill, hält es vorerst
für wichtig, zumindest drinnen weiterhin Maske zu tragen. «Masken
sind ein einfacher und wirksamer Schutz, vor allem in Innenräumen»,
so die Epidemiologin von der Ludwig-Maximilians-Universität in
München. «Es geht hier auch um den Schutz vor ansteckenderen neuen
Varianten des Virus.»