Neue Impfpläne der G7-Staaten als «Ablenkungsmanöver» kritisiert

Carbis Bay (dpa) - Die Überlegungen der reichen Industrienationen
(G7) für eine Verteilung von 2,3 Milliarden Impfdosen an ärmere
Länder bis Ende nächsten Jahres sind als «Ablenkungsmanöver» und

unzureichend kritisiert worden. Entwicklungsorganisationen sprachen
am Sonntag auf dem G7-Gipfel im englischen Carbis Bay in Cornwall von
einem «Verwirrspiel mit Zahlen». Auch die neuen Pläne gingen
angesichts der benötigten elf Milliarden Impfdosen nicht weit genug.

«Das hört sich besser an, als es ist», sagte Fiona Uellendahl vom
Kinderhilfswerk World Vision. Es reiche bei weitem nicht. «Die G7
werfen eine Nebelkerze.» Sie wollten davon ablenken, dass sie gegen
eine Freigabe des Patentschutzes seien. «Ein globaler Plan zur
Bekämpfung der Pandemie sieht anders aus.» Langfristig müsse in
Forschung und Produktion in den ärmeren Ländern investiert werden.

«Dass Kanzlerin Angela Merkel nach wie vor eine Aussetzung des
Patentschutzes blockiert, ist unverständlich und empörend», sagte
Jörn Kalinski von Oxfam International. In allen Regionen der Welt
müsse die Produktion von Impfstoffen aufgebaut werden, um die
strukturellen Ursachen für die ungerechte Verteilung zu beseitigen.

«Dazu sind die Aussetzung des Patentschutzes, der Technologie- und
Know-how-Transfer und Investitionen in Produktionskapazität nötig»,
sagte Kalinski. «Die Menschen in armen Länder dürfen nicht vom
Wohlwollen der Politiker und profitorientierte Pharmaunternehmen
abhängig sein.» Obwohl die Entwicklung der lebensrettenden Impfstoffe
mit Steuergeldern unterstützt worden sei, behandele die Kanzlerin die
Vakzine als Privateigentum einiger weniger Unternehmen.

Merkel hatte am Samstag angekündigt, dass die G7-Gruppe die
Verteilung von 2,3 Milliarden Impfdosen ermöglichen wolle. Ob es sich
dabei nur um Spenden oder auch um Exporte oder die Finanzierung der
internationalen Impfinitiative Covax handelt, blieb zunächst unklar.
Ein finaler Beschluss lag auch noch nicht vor.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und UN-Generalsekretär Antonio
Guterres halten auch weit größere Anstrengungen für nötig als bishe
r
geplant. Die WHO schätzt den Bedarf auf elf Milliarden Impfdosen.