Merkel trifft Biden am Rande des G7-Gipfels zu Gedankenaustausch

Kanzlerin Merkel und der neue US-Präsident Biden wollen die Scherben
kitten, die Bidens Vorgänger Trump im deutsch-amerikanischen
Verhältnis hinterlassen hat. Die ersten Treffen scheinen
vielversprechend.

Carbis Bay (dpa) - Kanzlerin Angela Merkel hat ein positives Fazit
ihrer ersten direkten Gespräche mit dem neuen US-Präsidenten Joe
Biden gezogen. Die Atmosphäre bei den Beratungen beim G7-Gipfel im
englischen Cornwall sei sehr kooperativ und von gegenseitigem
Interesse geprägt gewesen. «Es sind sehr gute, konstruktive und auch
sehr lebendige Diskussionen im Sinne, dass man aufeinander eingeht»,
sagte Merkel am Samstag am Rande des Treffens in einer
Online-Pressekonferenz. «Das ist ja hier das Besondere an diesem
G7-Format, dass einfach eine ganz offene und nicht so formelle
Gesprächsatmosphäre herrscht.»

Merkel hatte Biden zuvor am Rande des Gipfels zum Gedankenaustausch
getroffen. Es war wegen der Corona-Pandemie das erste physische
Treffen der beiden im engsten Kreis. Zuvor waren Beratungen wegen der
Corona-Pandemie nur per Video- oder Telefonkonferenz möglich. Mit
Bidens Vorgänger Donald Trump hatte es wegen dessen
«Amerika-zuerst»-Politik oft schwierige Verhandlungen im Kreis der G7
gegeben. Auch das persönliche Verhältnis zwischen Merkel und Trump
war wegen der Politik des US-Präsidenten belastet.

Biden sprach am Samstagabend in einem Tweet von einem «großartigen
Treffen» mit Merkel. «Die Verbindungen zwischen unseren beiden
Nationen sind stärker als je zuvor - und ich freue mich darauf, sie
nächsten Monat im Weißen Haus zu begrüßen, um unsere Arbeit
fortzusetzen», schrieb der US-Präsident. Biden hatte Merkel am
Freitag für den 15. Juli zu einem Besuch im Weißen Haus in Washington
eingeladen. Die Kanzlerin wird erstmals nach mehr als drei Jahren
wieder im Weißen Haus in Washington erwartet.

Merkel sagte nach dem Gespräch, sie habe mit Biden vor allem über
dessen Treffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin an
diesem Mittwoch in Genf gesprochen. Dies sei auch Thema im Kreis der
G7 gewesen. Man habe seine jeweiligen Sichtweisen ausgetauscht. Zudem
habe sie mit Biden über den Nato-Gipfel am Montag sowie über die Lage
in Afghanistan nach dem Rückzug der US-Truppen gesprochen. Auch die
Gas-Pipeline Nord Stream 2 war demnach Thema. Hier sei man «auf einem
guten Weg». Sie sei sich mit Biden einig, dass es «existenziell und
unabdingbar» sei, die Ukraine weiter am Gastransit von Russland nach
Europa zu beteiligen.

Die Regierung Bidens hatte vor drei Wochen ihren jahrelangen
Widerstand gegen die umstrittene Pipeline zwischen Russland und
Deutschland teilweise aufgegeben und auf Sanktionen gegen die
Betreibergesellschaft verzichtet - auch aus Rücksicht auf die
Beziehungen zu Deutschland.

Auf von Regierungssprecher Steffen Seibert getwitterten Fotos ist zu
sehen, wie sich die Kanzlerin und der Präsident bei ihrem Treffen auf
einer Terrasse gegenüber sitzen. Mit am Tisch sind Merkels
außenpolitischer Berater Jan Hecker und Bidens Nationaler
Sicherheitsberater Jake Sullivan.

Merkel und Biden streben nach dem Tiefpunkt in den
deutsch-amerikanischen Beziehungen in der Zeit von Trump einen
Neustart an. Biden lässt anders als Trump keinen Zweifel daran, wie
wichtig ihm das Verhältnis zu Deutschland ist. Der Besuch in
Washington dürfte auch eine der letzten Reisen Merkels als Kanzlerin
sein. Nach der Bundestagswahl am 26. September wird sie als
Regierungschefin abtreten.