G7 mit Biden und Merkel: Eine Milliarde Impfstoffdosen für die Welt

Es ist der erste Gipfel der bedeutendsten westlichen Demokratien nach
Trump: Mit Joe Biden wollen Merkel und Co. bei der internationalen
Zusammenarbeit wieder stärker zusammenrücken. Corona, Klima und die
Weltwirtschaft sind die großen Herausforderungen.

Carbis Bay (dpa) - Nach Jahren der Krise ziehen die USA und ihr neuer
Präsident Joe Biden mit den anderen führenden westlichen Demokratien
wieder an einem Strang. Im Kampf gegen die Corona-Pandemie wollen die
G7-Staaten eine Milliarde Impfstoffdosen an ärmere Länder abgeben.
Kanzlerin Angela Merkel sagte bei ihrem Eintreffen am Freitag im
südwestenglischen Cornwall, Biden «repräsentiert das Bekenntnis zum
Multilateralismus, das uns in den letzten Jahren gefehlt hat». In den
vergangenen Jahren standen die G7 wegen der protektionistischen
Politik von Bidens Vorgänger Donald Trump kurz vor der Spaltung.

Wie genau das Ziel von einer Milliarde Impfstoffdosen erreicht werden
soll, war noch nicht ganz klar, als die Staats- und Regierungschefs
am Freitag im englischen Cornwall zusammenkamen. Trotzdem bezeichnete
Biden das Vorhaben bereits als «historisch». Großbritanniens Premier

Boris Johnson und seine Frau Carrie begrüßten ihre Gäste einzeln vor

malerischer Kulisse im Badeort Carbis Bay, bevor sich die Teilnehmer
zu ihrer ersten Arbeitssitzung zurückzogen.

Auf der Agenda für den dreitägigen Gipfel steht auch die gewaltige
Herausforderung, die Weltwirtschaft nach der größten Pandemie in
einem Jahrhundert wieder in Schwung zu bringen. Zudem geht es um den
Kampf gegen den Klimawandel und den Umgang mit autoritären Staaten
wie China und Russland, mit denen sich die westlichen Demokratien
zunehmend in einem Wettstreit der Systeme sehen. Zur Gruppe der
Sieben (G7) gehören die USA, Deutschland, Kanada, Großbritannien,
Frankreich, Italien und Japan. Auch die EU nimmt an ihren Treffen
teil.

Die Staats- und Regierungschefs müssten sicherstellen, dass sie die
Lektionen aus der Corona-Pandemie gelernt haben, sagte Johnson zum
Beginn der Sitzung. Es sei entscheidend, dass die Welt gemeinsam auf
die Krise reagiere.

Vorgeprescht mit Impfstoff-Zusagen war bereits Biden, mit der
Ankündigung, bis nächstes Jahr 500 Millionen Dosen zu spenden und
Johnson, der 100 Millionen versprach. Die US-Spende soll bis
spätestens Juni nächsten Jahres geliefert und mit Hilfe der
internationalen Impfstoffinitiative Covax verteilt werden.

Merkel hatte sich im Vorfeld mit konkreten Zahlen zum Beitrag
Deutschlands beim Erreichen des Milliarden-Ziels zurückgehalten. Sie
verwies auf den Beitrag der Europäischen Union für die globale
Versorgung mit der Ausfuhr von schon mehr als 200 Millionen Dosen.
Deutschland stelle rund eine Milliarde Euro für das internationale
Programm Covax bereit, was Geld für den Kauf von weiteren etwa 200
Millionen Impfdosen entspreche. Zudem verwies sie auf die Zusage,
dass Deutschland bis Jahresende 30 Millionen Dosen zur Verfügung
stellen wolle.

Trotzdem zeigte sie sich nach ihrer Ankunft in Cornwall demonstrativ
optimistisch. «Ich hoffe, dass wir hier sehr gute Ergebnisse
erreichen, um zu zeigen: Wir denken nicht nur an uns, sondern wir
denken auch an diejenigen, die noch keine Chance haben, geimpft zu
werden» - vor allem in den Ländern Afrikas, aber auch in anderen
Ländern. Zudem gehe es darum, wie man die Weltwirtschaft wieder
ankurbeln könne.

Kaum einen Zweifel ließ sie daran, dass sie dabei auch auf eine
verbesserte Zusammenarbeit mit den USA setzt. Mitte Juli wird die
Kanzlerin nach mehr als drei Jahren erstmals wieder im Weißen Haus in
Washington erwartet. Biden wolle Merkel am 15. Juli empfangen, teilte
das Weiße Haus am Freitag mit. Es wurde erwartet, dass sich Merkel
und Biden bereits am Rande des G7-Gipfels erstmals seit dem
Amtsantritt des US-Präsidenten persönlich treffen. Für Biden ist es
der erste große Gipfel und die erste Auslandsreise seit Amtsantritt.

Die Kanzlerin betonte, man werde ein starkes Wort für den
Multilateralismus sagen und auch für den wertebasierten
Multilateralismus. Dies werde «natürlich auch zu einer
Auseinandersetzung mit Russland, aber auch in einigen Aspekten mit
China führen». Zugleich sagte sie: «Auf der anderen Seite brauchen
wir alle in der Welt.» Man wolle zusammenarbeiten, gerade in dem
Bereich des Klimaschutzes und der Biodiversität. «Da werden wir
niemals Lösungen ohne China erreichen.»

Entwicklungsorganisationen kritisierten unterdessen die G7-Pläne für
eine Milliarde Impfdosen an ärmere Länder als unzureichend. Gefordert
wurde vielmehr eine Aufhebung des Patentschutzes für Impfstoffe, die
Weitergabe von Technologie zur Impfstoffproduktion und Investitionen
in regionale Produktion weltweit. «Wohltätigkeitsaktionen» könnten

die Krise der weltweiten Impfstoffversorgung nicht beheben.

«Eine sofortige Weitergabe von Impfdosen ist momentan dringend
erforderlich und die Milliarde Impfdosen sind daher willkommen»,
sagte Jörn Kalinski von Oxfam. Aber wenn das alles sei, «muss dies
als Fehlschlag gewertet werden». Die Weltgesundheitsorganisation
(WHO) halte elf Milliarden Impfdosen für nötig - oder zumindest acht
Milliarden, um für eine Herdenimmunität 80 Prozent der Bevölkerung in

Ländern mit geringem oder mittleren Einkommen zu impfen.

Auch die Internationale Handelskammer (ICC) kritisierte die
Impfstoffspendenpläne der G7-Länder als unzureichend und warnte vor
Folgen für die Weltwirtschaft. Wenn die G7 bei den Impfstoffspenden
nicht deutlich zulegten, setzten sie ihre eigenen Bürger Gefahren
aus, etwa, weil sich neue, gefährlichere Virusvarianten entwickeln
und neue Corona-Ausbrüche die Lieferketten unterbrechen könnten,
teilte der Verband mit Sitz in Paris am Freitag mit.

Die Organisationen Oxfam, World Vision oder One forderten die
Kanzlerin auf, dem Beispiel von Frankreichs Präsident Emmanuel
Macron, US-Präsident Biden sowie Indiens und Südafrikas zu folgen und
ihre Unterstützung für eine befristete Freigabe der Patente zu
erklären. Merkel und die EU-Kommission sprachen sich aber erneut
dagegen aus, weil es aus ihrer Sicht die Probleme nicht löse.