Bundesregierung hebt Reisewarnung für Corona-Risikogebiete auf Von Michael Fischer und Ansgar Haase, dpa

Trotz stark sinkender Infektionszahlen in Europa rät die
Bundesregierung bisher noch generell von Urlaubsreisen ins Ausland
ab. In drei Wochen soll sich das ändern - kurz nach Beginn der
Sommerferien.

Berlin (dpa) - Nach mehr als einem Jahr hebt die Bundesregierung die
Reisewarnung für touristische Reisen in Corona-Risikogebiete am 1.
Juli auf. Das betrifft derzeit fast 100 Staaten weltweit ganz oder
teilweise, darunter zum Beispiel die Nachbarländer Frankreich,
Niederlande, Dänemark und Belgien. «Nach langen Monaten des Lockdowns
dürfen wir uns auf mehr Normalität freuen, das gilt auch für das
Reisen», erklärte Außenminister Heiko Maas (SPD) die Entscheidung am

Freitag. Die Ankündigung erfolgt eine Woche bevor die Sommerferien in
den ersten Bundesländern beginnen. Die Neuregelung tritt aber erst
danach in Kraft.

Die Bundesregierung rät ab 1. Juli auch nicht mehr generell von
touristischen Reisen ins Ausland ab. Für EU-Länder sowie Island,
Liechtenstein, Norwegen und die Schweiz, die nicht mehr als
Risikogebiet eingestuft sind, wird künftig in den Reisehinweisen des
Auswärtigen Amts nur noch «um besondere Vorsicht gebeten». Das
betrifft zum Beispiel Italien, große Teile Spaniens und ab kommenden
Sonntag auch ganz Österreich.

REISEWARNUNG NUR NOCH FÜR ETWA 40 LÄNDER

Die Neuregelung ist ein weiterer großer Schritt in Richtung
Normalisierung des Reiseverkehrs angesichts der zumindest in Europa
abflauenden Corona-Pandemie. Maas hatte zu Beginn der Pandemie am 17.
März 2020 eine weltweite Reisewarnung für Touristen ausgesprochen.
Hintergrund war, dass damals viele Urlauber wegen der plötzlichen
Kappung von Flugverbindungen im Ausland gestrandet waren und in einem
beispiellosen Kraftakt nach Deutschland zurückgeholt werden mussten.
Im September wurde die Warnung dann auf Corona-Risikogebiete mit
einer Infektionszahl von mehr als 50 pro 100 000 Einwohner in sieben
Tagen beschränkt.

Jetzt wird die Regelung nochmals deutlich gelockert. Ab dem 1. Juli
wird die Reisewarnung erst ab einer Inzidenz von 200 gelten und für
Gebiete, in denen sich gefährliche Virusvarianten stark verbreitet
haben. Das sind weltweit nur etwa 40 von insgesamt rund 200 Ländern.
In Europa gibt es solche Gebiete fast gar nicht mehr. Nur
Großbritannien ist derzeit noch als Virusvariantengebiet eingestuft.

MAAS: KEINE EINLADUNG ZUR SORGLOSIGKEIT

Eine Reisewarnung des Auswärtigen Amts soll vor allem abschreckende
Wirkung haben. Vor Corona wurde sie nur für Kriegs- und Krisengebiete
wie Syrien, Jemen oder den Gaza-Streifen ausgesprochen. Die generelle
Reisewarnung für Touristen war ein bisher einmaliger Schritt. Die
praktischen Auswirkungen sind aber begrenzt. Urlaubern ermöglicht die
Reisewarnung vor allem eine kostenlose Stornierung von Buchungen.

Maas verbindet mit der Änderung ein klares Signal an Sommerurlauber.
«Mit dem Sommer kehren Hoffnung und Zuversicht nach Deutschland
zurück», sagte er. Der SPD-Politiker betonte aber auch, dass es keine
Einladung zur Sorglosigkeit sei. «Reisen mit Vernunft und Augenmaß,
das ist das Motto dieses Sommers. Die Gefahr durch das Virus und
seine Mutanten ist noch lange nicht gebannt.»

Der Tourismusbeauftragte der Bundesregierung, Thomas Bareiß,
bezeichnete die Aufhebung der generellen Reisewarnung für
Risikogebiete als wichtige Botschaft für die Reisebranche. «Die
Stigmatisierung des Reiseverkehrs wird damit endlich zurückgeführt.»


ÖSTERREICH AB SONNTAG KEIN RISIKOGEBIET MEHR

Die Zahl der Risikogebiete in Europa wird am Sonntag noch einmal
deutlich gesenkt. Das Robert Koch-Institut (RKI) gab am Freitag
bekannt, dass dann ganz Österreich sowie Teile Griechenlands,
Kroatiens und der Schweiz von der Risikoliste gestrichen werden. Wer
aus diesen Gebieten auf dem Landweg nach Deutschland kommt, muss
künftig keinerlei Einreisebeschränkungen wegen Corona mehr beachten.

Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz freute sich über den
Schritt. «Die Entscheidung der deutschen Regierung ist ein wichtiges
Signal für die bevorstehende Sommersaison im Tourismus», sagte er.
Für die meisten österreichischen Bundesländer war die Einstufung als

Risikogebiet für Reisende aus Deutschland bereits vor einer Woche
aufgehoben worden. Ab Sonntag gilt das auch für die noch ausstehenden
Länder Vorarlberg und Tirol, das beliebteste Reiseziel der Deutschen
in dem Alpenland.

Wer aus Deutschland nach Österreich einreist, muss allerdings auch
weiterhin einen negativen Antigen- oder PCR-Test vorweisen können.
Davon ausgenommen ist, wer eine Impfung nachweisen kann oder bereits
an Corona erkrankt und genesen ist.

AUCH USA UND KANADA «RISIKOFREI»

Auch die Urlaubsinseln Madeira in Portugal und Zypern sowie zwölf
weitere Länder auf dem Balkan, in Osteuropa, Asien und Nordamerika
werden von der Risikoliste gestrichen, darunter die USA und Kanada.
In diesen beiden Ländern gilt aber nach wie vor eine Einreisesperre
für Deutsche, die nicht dort leben. Außerdem sind folgende Staaten ab
Sonntag keine Risikogebiete mehr: Armenien, Aserbaidschan, Bosnien,
Kosovo, Libanon, Moldau, Montenegro, Nordmazedonien, Serbien und die
Ukraine. Hinzu kommen zwei Regionen in Norwegen.

EU LOCKERT EBENFALLS REISEREGELN

Die EU-Staaten bemühen sich unterdessen darum, die Reiseregeln
gemeinsam weiter zu lockern. Am Freitag vereinbarte Leitlinien sehen
vor, Regionen künftig erst bei deutlich höheren Inzidenzzahlen als
Risikogebiet einzustufen. Dies soll dazu führen, dass weniger
Menschen unter strenge Test- und Quarantäneauflagen fallen und
innerhalb der EU wieder mehr gereist werden kann. Geimpfte und
Genesene sollen zudem in der Regel einheitlich gar keine
Reisebeschränkungen zu befürchten haben.

Nach der Einigung sollen Gebiete zum Beispiel nur noch dann als
«rotes» Corona-Risikogebiet ausgewiesen werden, die in den 14 Tagen
zuvor zwischen 200 und 500 neue Fälle pro 100 000 Einwohner gemeldet
haben - oder zwischen 75 und 200 bei einem Anteil positiver
Corona-Tests von über 4 Prozent. Früher hatten die unteren Grenzwerte
noch bei 50 beziehungsweise 150 gelegen.

Inwieweit die einzelnen Mitgliedstaaten die Regelung umsetzen, ist
aber unklar. Aus Regierungskreisen in Berlin hieß es, dass aktuell
keine Änderungen der deutschen Kriterien für die Einstufung von
Risikogebieten geplant sei.