Corona-Inzidenz sinkt unter 20 - Merkel: «Nicht sorglos sein»

Es infizieren sich so wenig Menschen mit Corona wie lange nicht mehr.
Wissenschaftler und Politik sehen eine gute Entwicklung - finden aber
auch mahnende Worte.

Berlin (dpa) - Erstmals seit acht Monaten ist die
Sieben-Tage-Inzidenz in Deutschland unter die Marke von 20 gesunken.
Das Robert Koch-Institut (RKI) gab den Wert am Donnerstagmorgen mit
bundesweit 19,3 an - zuletzt war ein so niedriger Wert Anfang Oktober
verzeichnet worden. Vor einer Woche hatte die Inzidenz noch bei gut
34 gelegen. Insgesamt meldeten die deutschen Gesundheitsämter dem RKI
binnen eines Tages 3187 Corona-Neuinfektionen. Die Zahl der
Todesfälle binnen eines Tages bezifferte die Behörde auf 94.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nannte die Entwicklung «extrem
erfreulich zurzeit, was die Fallzahlen anbelangt» Sie warnte
zugleich: «Corona ist damit nicht verschwunden.» Insbesondere die
Delta-Variante, die zuerst in Indien aufgetreten ist, mache Sorgen.
«Wir sind im Grunde in einem Wettlauf mit dem Impfen. Jeder Tag, den
wir eine geringe Nachweisbarkeit dieser Variante haben, ist ein guter
Tag.» Merkel betonte nach Beratungen mit den Ministerpräsidenten in
Berlin: «Wir haben einen Sommer, der uns viele Möglichkeiten gibt,
die wir lange Monate nicht hatten, aber wir sollten nicht sorglos
sein, sondern die Lage immer wieder sehr, sehr genau beobachten.»

Das RKI wies trotz des «erfreulichen» Rückgangs bei den Corona-Zahlen

auf weiter bestehende Risiken hin. «Das Virus ergreift jede noch so
kleine Chance - die sollten wir ihm nicht geben», sagte RKI-Präsident
Lothar Wieler in Berlin. Das zeige sich etwa in Pflegeeinrichtungen,
wo es trotz hoher Impfquote auch weiter ungeimpfte Menschen gebe und
es auch zu Ausbrüchen komme. Die Pandemie sei nicht vorbei.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sprach mit Blick auf das
Infektionsgeschehen von einer ermutigenden Entwicklung. Die
Infektionszahlen gingen deutlich herunter, Intensivstationen leerten
sich von Corona-Patienten, die Impfzahlen stiegen weiter mit guter
Geschwindigkeit. Dies ermögliche es, wieder mehr Freiheit und
Normalität zu wagen. Zugleich gelte es, das Erreichte abzusichern und
die Zahlen weiter zu senken. Umso tiefer man dabei komme, desto
weniger gebe man neuen Mutationen des Coronavirus eine Chance, sich
zu verbreiten.

Seit Beginn der Pandemie registrierte das RKI 3 709 129 nachgewiesene
Infektionen mit dem Virus Sars-CoV-2. Die tatsächliche Gesamtzahl
dürfte deutlich höher liegen, da viele Infektionen nicht erkannt
werden. Die Zahl der Genesenen gab das RKI mit 3 563 800 an.
Insgesamt starben demnach in Deutschland 89 585 Menschen an oder
unter Beteiligung einer nachgewiesenen Infektion mit Sars-CoV-2.

Eine Inzidenz von null - dort wurden also keine Corona-Neuinfektionen
binnen sieben Tagen registriert - verzeichnete das RKI für Schwerin
und den Landkreis Tirschenreuth in Bayern. In diesem Landkreis hatte
die Inzidenz Ende Januar noch deutlich über 300 gelegen.

Die in Indien entdeckte Coronavirus-Variante Delta bleibt in
Deutschland weiter relativ selten. Ihr Anteil an den untersuchten
Proben betrage nun 2,5 Prozent, heißt es in einem RKI-Bericht zu den
als besorgniserregend eingestuften Mutanten vom Mittwochabend. Die
Angabe bezieht sich auf die Woche vom 24. bis 30. Mai.

Mit einem Anteil von 94 Prozent an den untersuchten Proben löst die
Variante Alpha (B.1.1.7, entdeckt in Großbritannien) bundesweit
weiter den Großteil der Infektionen aus. Die weiteren
besorgniserregenden Varianten Beta und Gamma spielen nur eine
untergeordnete Rolle.

Als besorgniserregend werden Varianten eingestuft, wenn sie sich etwa
möglicherweise leichter verbreiten, schwerere Verläufe verursachen
oder wenn sich das Virus so verändert hat, dass der Schutz von
Geimpften und Genesenen beeinträchtigt sein könnte.

In Großbritannien, wo die Delta-Variante sich zunehmend verbreitet,
steigen die Fallzahlen wieder rapide. Nachdem die
Sieben-Tage-Inzidenz lange Zeit nur knapp über 20 lag, stieg sie bis
Donnerstag auf rund 49 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner binnen
einer Woche. Die Zahl der Krankenhaus-Patienten mit Covid-19 stieg
erstmals seit Mitte Mai wieder auf über 1000, wie die BBC berichtete.