Gewalttat im Oberlinhaus: Tatverdächtige fordert hohe Abfindung

Nach der schockierenden Tötung von vier schwerst behinderten Menschen
wird zunächst vor einem Potsdamer Arbeitsgericht verhandelt. Dort
wehrt sich die Pflegekraft gegen die Kündigung durch den Arbeitgeber.

Potsdam (dpa/bb) - Nach der tödlichen Gewalttat in einem Potsdamer
Wohnheim für Menschen mit Behinderungen hat die tatverdächtige
Pflegekraft nach ihrer Kündigung eine hohe Abfindung verlangt. Er
habe der diakonischen Einrichtung Oberlinhaus eine Lohnfortzahlung
bis Ende des Jahres und eine Abfindung in Höhe von 81 600 Euro
vorgeschlagen, sagte der Anwalt der 52-Jährigen, Henry Timm, am
Donnerstag bei der Güteverhandlung vor dem Potsdamer Arbeitsgericht.

Dort hatte Timm für seine Mandantin, die nach der Tat mit vier Toten
Ende April festgenommen und in einer Psychiatrie untergebracht worden
war, eine Kündigungsschutzklage erhoben. Nach Angaben von Richterin
Birgit Fohrmann hatte das Oberlinhaus der Pflegekraft Anfang Mai
zunächst aus personen- und verhaltensbedingten Gründen gekündigt und

dann noch eine Verdachtskündigung ausgesprochen.

Der Anwalt des Oberlinhauses, Elmar Stollenwerk, erklärte, die
Forderung nach Abfindung sei auch mit Blick auf die Hinterbliebenen
der Toten unannehmbar. Aus Sicht des Oberlinhauses sei nur die
sofortige Kündigung möglich. «Dass die Klägerin an ihren Arbeitspla
tz
zurückkehrt und Hilfsbedürftige pflegt, ist doch nicht vorstellbar.»


Richterin Fohrmann erklärte, sie beabsichtige das Verfahren bis zum
Strafprozess auszusetzen. Denn bis dahin solle erst mit einem
Gutachter geklärt werden, ob die 52-Jährige prozessfähig sei. Vorher

könne die Frage der Kündigung vor dem Arbeitsgericht nicht geklärt
werden. Dazu können nun beide Parteien Stellung nehmen.

Timm erklärte nach der kurzen Verhandlung, aus seiner Sicht sei das
Oberlinhaus schadenersatzpflichtig. Denn es habe zugelassen, dass in
Früh- und Spätschichten nur zwei Pflegekräfte bis zu 20 Menschen mit

schwersten Behinderungen betreuen müssten. Zudem habe seine Mandantin
ihr Leben lang starke Medikamente nehmen müssen und sei mehrfach in
stationären Therapien gewesen.

Der Arbeitgeber habe aber nicht auf die Anzeichen von Überlastung bei
der 52-Jährigen reagiert, die 32 Jahre in dem Haus beschäftigt
gewesen sei, klagte Timm. Die Kündigung hält er auch solange für
nicht gerechtfertigt, wie die Schuldfähigkeit seiner Mandantin nicht
geklärt ist. «Denn wie soll sie schuldhaft ihre Arbeitspflichten
verletzt haben, wenn sie gar nicht schuldfähig ist?» Einen Termin für

die Begutachtung der 52-Jährigen gebe es aber noch nicht, sagte Timm.