Wälder im Südwesten lechzen nach Wasser - aber auch gute Nachrichten

Nachdem es gefühlt monatelang geregnet hat, sollte die Natur im
Südwesten doch wieder gut mit Wasser versorgt sein - könnte man
meinen. Wie die Lage wirklich aussieht, zeigt ein Blick in den Wald.

Stuttgart/Karlsruhe (dpa/lsw) - Die Situation in den Wäldern im
Südwesten hat sich infolge des relativ feuchten und kühlen Frühjahrs

aktuell etwas verbessert. Die Lage ist aus Sicht von Experten aber
weiter angespannt, weil die Grundwasservorräte nach den trockenen und
heißen Sommern seit 2018 nicht wieder gefüllt sind. Dafür könnten d
ie
Borkenkäfer in diesem Jahr weniger Schäden verursachen. Wichtige
Themen, denn fast 40 Prozent Baden-Württembergs sind bewaldet.

«Das feuchte und kühle Frühjahr wirkt sich günstig auf die Vitalit
ät
unserer Bäume aus und verzögert die Entwicklung der Borkenkäfer»,
sagte Forstminister Peter Hauk (CDU) der Deutschen Presse-Agentur in
Stuttgart. «Das bringt etwas Entlastung mit sich, darf aber nicht
darüber hinwegtäuschen, dass die Lage in den Wäldern nach wie vor
sehr angespannt ist. Ein paar niederschlagsreiche Monate können die
langfristigen Auswirkungen des Klimawandels nicht kompensieren.»

Die Hauptursachen für die aktuellen Waldschäden liegen nach Angaben
des Ministeriums in der massenhaften Vermehrung der Borkenkäfer, der
Trockenheit und im Befall mit schädlichen Pilzen. Gerade Fichten und
in geringerem Ausmaß Tannen seien von den Borkenkäfern betroffen.
Hier erwarten die Fachleute aber, dass die Entwicklung der Käfer
durch die kühle Witterung im Vergleich zu den letzten Jahren deutlich
verzögert wird. Da sie später ausschwärmen, wird vielerorts nur mit
zwei Generationen in diesem Jahr gerechnet. Auch seien mehr der Tiere
infolge der nasskalten Witterung gestorben. «Die Ausgangspopulation
der Borkenkäfer ist allerdings immer noch sehr hoch», hieß es.

Die Landesforstverwaltung geht davon aus, dass in diesem Jahr die
Schadholzmengen bei den Nadelbäumen geringer als in 2020 ausfallen
könnten - sich aber immer noch auf einem hohen Niveau befinden. Die
Waldbesitzer und Forstleute seien in nadelholzreichen Regionen nach
wie vor mit der Aufarbeitung der Käferholzschäden aus den letzten
Jahren beschäftigt. «Das Land unterstützt die Waldbesitzer, wenn es
darum geht, die geschädigten Flächen zu räumen und mit klimastabilen

Mischwäldern neu zu bepflanzen», sagte Minister Hauk.

Tannen, vor allem aber der häufigste Laubbaum, die Buche, kämpfen mit
Dürreschäden. «Für die Schäden unter den Laubbäumen gehen wir i
n 2021
von einem ähnlich hohen Niveau wie in 2020 aus», hieß es aus dem
Ministerium. Der Niederschlag der letzten Wochen habe zwar den
Oberboden gut mit Wasser versorgt, das Wasser sei aber nicht überall
bis in die tieferen Bodenschichten vorgedrungen. Eine ausreichende
Wasserversorgung ist laut Ministerium in vielen Mittelgebirgslagen
wieder gewährleistet. In tieferen Lagen des Neckarlandes und am
Oberrhein sowie in den Regenschattenlagen der Mittelgebirge habe sich
die Situation hingegen noch nicht vollständig entspannt.

Die Präsidentin der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW)

in Karlsruhe, Eva Bell, hatte jüngst erklärt, die im Durchschnitt
ausreichenden, aber sehr wechselhaften Niederschlagsmengen der
vergangenen drei Winterhalbjahre hätten die extreme Trockenheit des
Jahres 2018 bislang nicht ausgleichen können. «Das zeigt:
Extremereignisse lassen sich auch Jahre danach im Grundwasser
nachweisen.» Auch Anfang Juni waren die Grundwasserverhältnisse im
Südwesten laut aktuellem LUBW-Bericht oft leicht unter Durchschnitt.

Der Nationalpark Schwarzwald profitiert von einem schneereichen
Winter. Die Wasserversorgung sei in der Region im Moment ganz gut,
sagte eine Sprecherin. «Aber jetzt beginnt der Sommer.» Auch aus
Sicht des Ministeriums wird die Witterung im Verlauf des Sommers
entscheidend für die Entwicklung beim Schadholz im laufenden Jahr
sein - und für die Fähigkeit der Bäume, die Schäden zu kompensieren
.
«Ein abschließendes Bild über die Auswirkungen der drei trockenen und

heißen Jahre werden wir frühestens erst in 2022 haben, sofern die
Witterung weiterhin so günstig verläuft», erklärte ein Sprecher.


Derweil bereiten den Forstexperten auch Schäden Sorgen, die
unabhängig von der außergewöhnlichen Witterung der letzten drei Jahre

auf einem «besorgniserregend hohen Niveau» seien: Pilz-Erreger sorgen

demnach bei Eschen für das sogenannte Eschentriebsterben. Häufig gebe
es aber mehrere Ursachen für abgestorbene oder geschädigte Bäume.

Um entscheiden zu können, welche Baumart wo am besten wächst,
arbeitet die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt
Baden-Württemberg (FVA) mit Sitz in Freiburg daran, den
Wasserhaushalt eines Standorts unter Berücksichtigung des
Klimawandels abzuschätzen. Die bisherigen Verfahren seien mit Blick
auf Extremsommer und Dürrejahre an ihre Grenzen gekommen.

Beim Wasserhaushalt von Wäldern geht es den Angaben nach unter
anderem um Regenwasser, das die Baumkronen benetzt und von dort aus
wieder verdunstet. Andere Teile des Niederschlags fallen auch zu
Boden und können dort direkt von Wurzeln aufgenommen werden. Ein
wichtiger Faktor sind dann die Waldböden, die Niederschlagswasser
speichern und so auch in regenfreien Zeiten für eine kontinuierliche
Wasserversorgung sorgen. Dabei unterscheiden die Fachleute zum
Beispiel, wie durchlässig der Boden ist, wie viel Wasser er speichern
kann und wie hoch das Risiko für Grund- oder Staunässe ist.

Der forstpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Klaus Hoher, sagte am
Donnerstag: «Zum Aufbau klimastabiler Wälder brauchen wir auch neue,

nicht-heimische Baumarten. Genau diese nicht gebietsheimischen
Baumarten sollen aber nach den Plänen der Landesregierung bei
Neupflanzungen zum Waldaufbau nicht mehr als 25 Prozent einnehmen.»
Wald-Experte Reinhold Pix von den Landtags-Grünen konterte: «Die
Deckelung auf einen Anteil von maximal 25 Prozent ist wichtig, weil
zunächst die Auswirkungen neuer Baumarten auf das Ökosystem
beobachtet werden müssen und es gilt, Monokulturen zu vermeiden.»