Kein deutliches Wachstum von Virusvariante Delta in Deutschland

Rascher Zuwachs von Woche zu Woche: Solche Zahlen aus Großbritannien
über die in Indien entdeckte Corona-Mutante Delta alarmieren. Wie
entwickelt sich die Lage in Deutschland?

Berlin (dpa) - Die in Indien entdeckte Coronavirus-Variante Delta
bleibt in Deutschland weiter relativ selten. Ihr Anteil an den
untersuchten Proben betrage nun 2,5 Prozent, geht aus einem Bericht
des Robert Koch-Instituts (RKI) zu den als besorgniserregend
eingestuften Mutanten vom Mittwochabend hervor. Die Angabe bezieht
sich auf Proben aus der Woche vom 24. bis 30. Mai.

Die Entwicklung der Variante (B.1.617.2) der Wochen zuvor beschreibt
das RKI in der Tendenz als ansteigend, auf bis zu 3,1 Prozent in der
Woche vom 17. bis 23 Mai. In den RKI-Berichten der Vorwochen war der
Anteil dieser Variante stets mit Werten um zwei Prozent beziffert
worden, nun gab es aber rückwirkend Änderungen, die etwa mit
Nachmeldungen begründet werden.

Mit einem Anteil von 94 Prozent an den untersuchten Proben löst die
Variante Alpha (B.1.1.7, entdeckt in Großbritannien) bundesweit
weiter den Großteil der Infektionen aus. Die weiteren
besorgniserregenden Varianten Beta und Gamma spielen nach wie vor
eine untergeordnete Rolle.

Als besorgniserregend werden Varianten eingestuft, wenn sie sich zum
Beispiel möglicherweise leichter verbreiten, schwerere Verläufe
verursachen oder wenn sich das Virus so verändert hat, dass der
Schutz von Geimpften und Genesenen beeinträchtigt sein könnte.
Insbesondere der Schutz der Erstimpfung gegen Mutanten gilt als
schwächer verglichen mit der Wirkung gegen früheren Virusformen.
Experten betonen daher die Bedeutung des vollständigen Impfschutzes.
Bei den Präparaten von Biontech/Pfizer, Moderna und Astrazeneca sind
dafür zwei Dosen erforderlich.

Der Virologe Christian Drosten sagte am Dienstag im Podcast
«Coronavirus-Update» (NDR-Info), dass Delta oder ähnliche Varianten
«sicherlich bis zum Herbst hier auch das Feld dominieren». Es gelte,
bis dahin für eine möglichst hohe Impfquote bei Erwachsenen zu
sorgen. «Dann werden wir keine großen Probleme haben» - ein kleines
Fragezeichen sehe er diesbezüglich nur beim Thema Kinder. In England
würden Ausbrüche in Schulen durch Delta beobachtet. Bisher gibt es
keine zugelassenen Impfstoffe für Kinder unter zwölf Jahren.

Die zunehmende Verbreitung von Delta lässt die Fallzahlen in
Großbritannien rapide ansteigen. Nachdem die Sieben-Tage-Inzidenz
lange Zeit nur knapp über 20 lag, ist sie derzeit wieder bei rund 46
Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner binnen einer Woche. Im
Nordwesten Englands ist gegen die weitere Ausbreitung eine Offensive
mit Massentests und Impfungen gestartet worden.

Charité-Experte Drosten sieht aber noch Unklarheiten bezüglich der
Eigenschaften von Delta: Er äußerte Zweifel an der
Allgemeingültigkeit bisheriger Daten. Für ihn sei der Blick auf die
Entwicklung in weiteren Ländern wichtig: Bisher sei aber weder in
Dänemark, wo viele Proben analysiert werden, noch in Deutschland in
den vergangenen Wochen eine starke Zunahme zu sehen. In
Großbritannien sei eine Verdopplung der Werte von Woche zu Woche
beobachtet worden.