Vierte Corona-Welle und Long-Covid-Patienten sorgen den Landtag

Die Corona-Pandemie ebbt weiter ab, in der Landtagsdebatte dreht sich
vieles um weitere Lockerungen. Aber es gibt auch die Sorge vor einer
vierten Welle im Herbst. Und den Tausenden von Langzeitfolgen
Betroffenen soll besser geholfen werden, fordern die Abgeordneten.

Hannover (dpa/lni) - Trotz der anhaltenden Entspannung der
Corona-Lage und Lockerung zahlreicher Beschränkungen hat der Landtag
in Hannover abermals kontrovers über den weiteren Kurs debattiert.
Gesundheitsministerin Daniela Behrens (SPD) betonte am Mittwoch, dass
mit einer Impfung von möglichst großen Teilen der Bevölkerung eine
vierte Corona-Welle im Herbst verhindert werden solle. Bis dahin sei
eine Herdenimmunität von 80 bis 85 Prozent erforderlich, um die von
der Wissenschaft prognostizierte vierte Infektionswelle zu vermeiden.
«Wir sind mit unserer Impfkampagne vorbereitet. Ziel wird sein, die
Menschen zu überzeugen, sich impfen zu lassen.» Bislang sei aber die
Impfbereitschaft der Menschen ungebrochen, es fehle weiter
ausreichend Impfstoff.

47,2 Prozent der Niedersachsen haben nach den Daten des Robert
Koch-Instituts bislang zumindest eine erste Impfung erhalten, 21,5
Prozent der Bevölkerung sind bereits vollständig geimpft. Parallel
zum voranschreitenden Impffortschritt besserte sich am Mittwoch auch
die Corona-Lage in Niedersachsen weiter. Die Sieben-Tage-Inzidenz
sank im Landesschnitt weiter auf 13,9. Von den 45 Landkreisen und
Großstädten lagen alle unter einer Inzidenz von 35, bis auf den Kreis
Diepholz mit einer Inzidenz von 39,2. In 20 der Landkreise liegt die
Inzidenz inzwischen unter 10.

Weitere Beschränkungen müssten nun zügig aufgehoben werden, forderte

FDP-Fraktionschef Stefan Birkner. Außerdem müsse nun zügig Vorsorge
getroffen werden für eine mögliche Verschlechterung des
Infektionsgeschehens im Herbst, damit das Land nicht wie im
vergangenen Jahr unvorbereitet in eine weitere Welle der Pandemie
schlittere. Regelungen müssten frühzeitig und rechtssicher getroffen
werden, damit Gerichte nicht immer wieder rechtswidrige
Einschränkungen aufheben müssten. Der AfD-Abgeordnete Stefan Bothe
rief Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) auf, alle Corona-Maßnahmen
zu beenden.

Die Grünen-Fraktion forderte ein Ende der auf den letzten Drücker
verkündeten neuen Corona-Verordnungen. Mindestens 24 Stunden vorher
müssten die neuen Regelungen auf dem Tisch liegen, ansonsten könnten
Handel, Schulen oder Gastronomie sich unmöglich auf Veränderungen
einstellen, sagte der Grünen-Abgeordnete Helge Limburg. «Ein solches
Chaos ist nach eineinhalb Jahren Pandemie nicht mehr hinnehmbar.»

Unterdessen machten sich die Regierungsfraktionen SPD und CDU mit
einem Antrag für die Rehabilitation der rund 30 000 Menschen in
Niedersachsen stark, die an den Langzeitfolgen einer Infektion mit
dem Coronavirus leiden. Gesundheitsministerin Behrens sagte, die
sogenannten Long-Covid-Patienten dürften nicht vergessen werden. «Wir
müssen genau hinschauen, was diese Menschen brauchen.» Rund zehn
Prozent der Infizierten seien von Langzeitfolgen betroffen.

Der Antrag sieht unter anderem vor, dass sich die Landesregierung für
den Ausbau interdisziplinärer Rehabilitationsangebote einsetzen soll,
außerdem für mehr Geld und Forschung. «Die Rentenversicherungsträge
r
und Krankenkassen sind aufgefordert, entsprechende
Versorgungsverträge mit Rehabilitationseinrichtungen zu schließen»,
sagte der sozialpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion Volker
Meyer. Die niedersächsischen Einrichtungen der Gesundheitsforschung
müssten noch stärker bei der Ursachenforschung des
Long-Covid-Syndroms und der Entwicklung neuer Behandlungsmethoden
einbezogen werden.

Long-Covid-Patienten leiden häufig unter Atembeschwerden,
Kopfschmerzen, Aufmerksamkeitsdefiziten, Geschmacks- und
Geruchsverlust, Depressionen oder Herzproblemen. Die
Grünen-Sprecherin für Gesundheit, Meta Janssen-Kucz, sagte, es habe
sie erschreckt, dass vor allem junge Menschen zwischen 25 und 50 ohne
Vorerkrankung unter den Folgen von Covid-19 leiden. Frauen seien etwa
doppelt so häufig betroffen wie Männer.

Der Verbund norddeutscher Rehakliniken sieht mit Blick auf die Reha
von Long-Covid-Patienten vor allem bei den Kostenträgern, also
Krankenkassen und Rentenversicherungsträger, Handlungsbedarf. Sie
müssten jetzt die Bereitschaft zeigen, für diese Menschen «großzü
gig
Genehmigungen für die Reha auszustellen und sich nicht mit
langwierigen Genehmigungsprozessen aufzuhalten», sagte der
Vorstandsvorsitzende Norbert Hemken. Die Rehakliniken hatten in der
Corona-Pandemie unter anderem wegen der Einhaltung der
Hygienemaßnahmen weniger Patienten aufnehmen können, zuletzt große
finanzielle Einbußen beklagt und eine Verlängerung eines
Rettungsschirm des Bundes gefordert.