Schutzkittel statt Reizwäsche: Bordell bietet Corona-Tests an Von Stephen Wolf und Uwe Anspach , dpa

In Fußgängerzonen und vor Restaurants bieten Corona-Testzentren
deutschlandweit ihren Service an. In Heidelberg können sich die
Menschen nun sogar im Bordell testen lassen.

Heidelberg (dpa/lsw) - Corona-Test im Bordell? «Eigentlich keine
schlechte Idee», sagt ein Mann, der in der Heidelberger Bahnstadt
sein Auto tankt. Es sei eben wichtig, dass sich so viele Menschen wie
möglich testen lassen können. «Dafür eignet sich meiner Meinung nac
h
so gut wie jeder Ort», stellt der Mann klar und blickt auf die andere
Straßenseite. Dort ist das Eros-Center «Bienenstock» in einem
modernen Bau untergebracht und bietet neuerdings Corona-Tests an.

Etwas umständlich, aus einem Fenster heraus, nehmen Prostituierte die
Abstriche mit langen Wattestäbchen. «Angst vor einer Ansteckung habe
ich nicht. Wir lassen uns außerdem regelmäßig selbst testen», sagt

die 45 Jahre alte Jenny. Sie und eine Kollegin hätten eine anderthalb
Stunden dauernde Schulung bei einem Arzt absolviert. Organisiert wird
die Teststation von einer Fremdfirma, die dafür sorgt, dass die
Ausstattung für Schnelltests, aber auch für PCR-Tests ausreichend
vorhanden ist. Wie Jenny sagt, gab es in den vergangenen Tagen gerade
einmal ein positives Testergebnis. Die Inzidenz, also die Zahl der
Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner binnen sieben Tagen, lag Anfang
der Woche in der Universitätsstadt bei 8,7.

Für Kalle, den Geschäftsführer des Eros-Centers, liegen die Vorteile

dieses neuen Angebots auf der Hand «Anders als in der Innenstadt,
haben wir hier ausreichend Parkplätze und können so relativ einfach
Tests anbieten», sagt er. Seinen vollständigen Namen möchte er nicht

in der Zeitung lesen. Der 59 Jahre alte Mann stammt aus Karlsruhe,
leitet das Etablissement in Heidelberg aber schon seit Jahren.

Wer sich im «Bienenstock» testen lässt und ein negatives Ergebnis
erhält, kann etwa ohne Probleme die mittlerweile wieder geöffneten
Restaurants, Cafés oder Kneipen in der Stadt besuchen. Einen Termin
brauche es nicht, wie der Geschäftsführer hinzufügt. Mehrere
Autohäuser, ein Baumarkt und eine Zoohandlung - rund um das
Heidelberger Bordell herrscht Betrieb. Wer sich hier testen lässt?
«Frauen, Männer, Kinder. Eigentlich alle», behauptet Kalle. «
Und das
ohne den Stress, der sich in den engen Gassen und Straßen der
Innenstadt abspielt», fügt er mit badischem Zungenschlag hinzu. Wie
es aus dem Rathaus heißt, waren zuletzt 41 Teststationen in der Stadt
gemeldet. Dazu kämen Apotheken und Arztpraxen.

Auch könnten sich am Seitenfenster des Freudenhauses Menschen mit
Behinderungen bequem testen lassen. Tatsächlich ist an diesem Morgen
auch ein Mann im Rollstuhl auf den ausladenden Parkplatz des Bordells
gekommen, um sich testen zu lassen. Vorsichtig schiebt ihm Jenny das
Stäbchen in die Nase und lässt den dünnen Stiel einige Male kreisen.


Darüber, dass in den vergangenen Tagen deutschlandweit immer
wieder Betrugsvorwürfe gegen Teststationen laut wurden, kann der
Badener nur den Kopf schütteln. «Wenn sie sich so angreifbar machen,
sind sie selbst schuld», sagt er über mutmaßliche Betrüger, die meh
r
Schnelltests abgerechnet haben sollen als tatsächlich stattgefunden
hätten. Kai Behrens, ein 26 Jahre alter Mitarbeiter des
Eros-Centers, hatte die Idee, hier Corona-Tests anzubieten. «Wir
wollen dazu beitragen, dass möglichst schnell wieder ein
halbwegs normales Leben möglich wird», sagt er.

Gleichwohl geht es nicht nur um den Dienst an der Allgemeinheit.
Wegen der Corona-Verordnung dürfen Prostituierte seit vielen Monaten
nicht mehr ihre Dienste anbieten. Das Geschäftsmodell «Bienenstock»
existiert zurzeit faktisch nicht. Die meisten Prostituierten seien
aufgrund der Pandemie noch immer in ihren Heimatländern,
beispielsweise in Rumänien oder Bulgarien. Auch Sexarbeiterinnen, die
aus der Region stammen, mieten zurzeit keine Zimmer an. Ohne Kunden
kein Geschäft. «Wir hoffen natürlich, dass es bald wieder
weitergeht», sagt der Geschäftsführer.

Zumal sich die Prostitution vielerorts in private Wohnungen verlagert
habe. Noch sei unklar, wann das Geschäft im «Bienenstock» wieder
anlaufen könne. Aber mit der Teststation habe man Vorsorge getroffen,
sagt Kalle. Insofern sei es auch eine pragmatische Entscheidung
gewesen, die Reizwäsche zeitweilig durch blaue Schutzkittel zu
ersetzen. Der Bordellchef geht davon aus, dass Kundschaft sowie
Sexarbeiterinnen künftig regelmäßig getestet werden müssen, wenn da
s
Geschäft wieder anläuft. Insofern sei die Teststation eine
Investition in die Zukunft. Es sei wichtig, dass endlich wieder Geld
fließe. «Wir müssen strampeln wie jeder andere Mittelständler auc
h»,
sagt der Mann aus dem Milieu.