«Fitnessbarometer» 2021 zeigt Corona-Folgen bei Kindern im Südwesten

28,5 Minuten weniger Sport am Tag, aber eine Stunde mehr vor
Bildschirmen. Die Folgen der Corona-Pandemie zeigen sich auch bei
Fitnesstests für Kinder im Ländle. Dabei gibt es Möglichkeiten, dem
Negativtrend entgegenzuwirken.

Stuttgart/Karlsruhe (dpa/lsw) - Kinder in Baden-Württemberg haben
infolge der coronabedingten Ausfälle beim Schulsport und Turnvereinen
an Fitness eingebüßt. Das am Mittwoch veröffentlichte
«Fitnessbarometer» 2021 der Kinderturnstiftung Baden-Württemberg
zeigt einen Negativtrend hinsichtlich der motorischen Fähigkeiten. So
waren Kinder schon nach neun Monaten Pandemie, also Ende vergangenen
Jahres, tendenziell langsamer und weniger ausdauernd. Bei Kraft,
Beweglichkeit und Koordination sei das «(noch) nicht der Fall», hieß

es. Zahlreiche Online-Bewegungsprogramme für zu Hause könnten bei
diesen Faktoren den Wegfall anderer Sportmöglichkeiten aufgefangen
beziehungsweise die Fertigkeiten sogar teilweise verbessert haben.

Die Ergebnisse knüpfen an andere Studien zu Corona-Folgen an, sind
den Angaben zufolge aber die ersten für Baden-Württemberg. Die
Stiftung untersucht seit 2012 mit Sportwissenschaftlern des
Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) die Fitness von Drei- bis
Zehnjährigen im Südwesten. Erst in den kommenden Jahren seien
Aussagen über die nachhaltigen Auswirkungen der Pandemie auf die
Fitness der Kinder möglich, sagte Prof. Klaus Bös vom KIT. Aber schon
jetzt müssten wieder angeleitete Bewegungsangebote im Turn- und
Sportverein sowie in der Schule im Sportunterricht möglich werden.
«Sonst werden die Ergebnisse im nächsten Jahr verheerend sein.»

SPD-Sportexperte Gernot Gruber forderte, der Amateursport im Land
müsse ohne zu viel Verwaltungsaufwand für Vereine und Trainer wieder
in die Gänge kommen. «Der sportliche Ausgleich hilft der
Konzentrationsfähigkeit von Kindern und Jugendlichen für das Aufholen
fachlicher Lernlücken in der Schule», erklärte der
Landtagsabgeordnete. «Das sollte auch die Landesregierung wissen.»

Im ungewöhnlich warmen Corona-Frühjahr 2020 hätten Kinder zwar ihren

natürlichen Bewegungsdrang ungehindert ausleben können bei
Fahrradtouren mit der Familie und Waldspaziergängen, sagte Bös'
Kollegin Claudia Niessner. Doch die Schließung der Turn- und
Sportvereine im Lockdown habe im Schnitt 28,5 Minuten weniger
organisierten Sport pro Tag bedeutet. «Gleichzeitig nahm die
Bildschirmmedien-Zeit um circa eine Stunde pro Tag zu.» Um auch zu
Hause aktiv zu bleiben, haben die Stiftung, der Badische Turner-Bund
und der Schwäbische Turnerbund mehrere Angebote erarbeitet.

Wegen einer höheren Intensität und der Anleitung ausgebildeter
Sportfachkräfte sei die Qualität von Vereinssport besser, erläuterte

Susanne Weimann, geschäftsführender Vorstand der Kinderturnstiftung.
«Sie spielt damit eine wichtige Rolle für die Förderung der
motorischen Fähigkeiten und somit für den Aufbau und den Erhalt der
Fitness.» Zudem fördere Bewegung die psychische, soziale und
kognitive Entwicklung der Kinder. Laut Robert Koch-Institut kann
körperliche Aktivität auch der Entwicklung von Fettleibigkeit
(Adipositas) im Kindes- und Jugendalter vorbeugen.

Für Grundschulkinder (sechs bis elf Jahre) werden den Angaben nach
mindestens 90 Minuten körperliche Aktivität pro Tag empfohlen. 60
Minuten davon könnten aus Alltagsaktivitäten wie dem Weg zur Schule
bestehen. Die restlichen 30 Minuten sollten hingegen eine hohe
Intensität haben und die Kinder ins Schwitzen bringen. «Das wird vor
allem im Sportunterricht oder Vereinssport erreicht.»

Doch die Pandemie hat auch einen Mitgliederrückgang ausgelöst. Der
Schwäbische Turnerbund berichtete jüngst von einem Minus von rund 4,5
Prozent oder rund 32 000 Mitgliedern. Besonders stark sei der Verlust
in der Altersgruppe von null bis sechs Jahren mit 15 Prozent gewesen.

Nach der seit Montag gültigen Corona-Verordnung ist Schulsport bei
einer Inzidenz unter 35 sowohl im Freien als auch in der Sporthalle
möglich. Bei einer Inzidenz zwischen 35 und 50 darf in Sporthallen
nur kontaktarmer Sport unterrichtet werden. Liegt die Inzidenz
zwischen 50 und 100 ist nach Angaben des Kultusministeriums mit
wenigen Ausnahmen Sportunterricht nur noch im Freien erlaubt.

Organisierter Vereinssport darf auch außerhalb von Sportanlagen und
Sportstätten im Freien mit Gruppen von bis zu 20 Personen
stattfinden. Bei sinkender Inzidenz unter 100 in einem Stadt- oder
Landkreis ist nach zwei Wochen auch kontaktarmer Freizeit- und
Amateursport in Innenräumen möglich - allerdings mit einer Begrenzung
auf eine Person je 20 Quadratmetern. Außerdem gilt die Testpflicht
oder die Pflicht zur Vorlage eines Impf- oder Genesungsnachweises.

Unter anderem der Landessportverband hatte kritisiert, dass auch
Kinder zwischen 6 und 14 Jahren für Sport im Freien einen
tagesaktuellen Corona-Test benötigten. Dies sei «nicht praxistauglich
und damit für den Sport nicht akzeptabel». Nach der aktuellen
Verordnung reicht nun für Schüler ein von ihrer Schule bescheinigter
negativer Test aus, der maximal 60 Stunden zurückliegt.

Ein einfacher Zugang etwa zu Trainingsangeboten sei auch für Jüngere
wichtig, betonte SPD-Fraktionsvize Dorothea Kliche-Behnke. «Nach dem
unseligen Streit über Testbescheinigungen von Schulen für
Vereinsangebote, sollten ähnliche Diskussionen jetzt nicht auch noch
an den Kitas geführt werden müssen. Deswegen plädiere ich für die
Anerkennung der Eigenbescheinigung der Eltern.»