Wie sicher ist der EU-Impfnachweis? Von Sebastian Schug, dpa

Nach monatelangen Corona-Beschränkungen sehnen sich viele Menschen
nach einem entspannten Sommerurlaub. Der digitale EU-Impfausweis
könnte die Reisefreiheit in Europa schon bald zurückbringen. Doch
nicht nur Jens Spahn warnt vor Fälschungen.

Berlin (dpa) - Bald schon soll es auch in Deutschland kommen: das
digitale Covid-Zertifikat der EU. Vollständig Geimpfte, Genesene und
negativ Getestete können sich dann bei der Einreise in ein anderes
EU-Land damit ausweisen, Beschränkungen wie Quarantäne- oder
Testpflichten sollen für sie wegfallen. Ein entspannter Sommerurlaub
im europäischen Ausland rückt damit in greifbare Nähe. Doch wenn
etwas so begehrt ist, dann wächst bei einigen auch die Motivation zum
Betrug. Ist der digitale Impfnachweis also fälschungssicher?

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte bereits bei der
Vorstellung des Vorhabens festgestellt, dass das Interesse der
Fälscher sowohl dem gelben Impfbuch der WHO als auch dem geplanten
digitalen EU-Impfnachweis gelten könnte. Und beide Dokumente sollen
das Reisen vereinfachen.

Wer womöglich fälschen möchte, für den genügt - wie so oft - zun
ächst
ein Blick ins Internet. Ein bedruckbares Etikett in der Größe des
Impfstoff-Aufklebers lässt sich auf Online-Marktplätzen legal kaufen.
Auch selbst bestückbare Stempel sind frei verfügbar. Der Chaos
Computer Club (CCC) weist deshalb auf das Fälschungsrisiko hin: Weder
das Chargenetikett der Corona-Impfung noch Arztstempel und
Unterschrift im herkömmlichen Impfbuch weisen einer Stellungnahme
zufolge besondere Sicherheitsmerkmale auf.

Gesundheitsminister Spahn wies zuletzt darauf hin, dass «Fehler- oder
Fälschungsanfälligkeit» mit Blick auf den digitalen Impfausweis vor
allem beim Übertrag gegeben seien. Hintergrund ist, dass Bürgerinnen
und Bürger, die schon vor Einführung des sogenannten CovPass
vollständig geimpft worden sind, ihr digitales Zertifikat in
Impfzentren, Arztpraxen und auch in Apotheken erhalten können. Die
Apothekerin müsste also entscheiden, ob der analoge Impfeintrag im
gelben Impfbuch echt ist. Spahn sagte dazu, dies könne man am Ende
«nur nach fachlicher Augenscheinkontrolle machen». Daher werde man
eine Fälschung «nicht zu hundert Prozent ausschließen können».

Apotheken sehen sich hingegen dazu in der Lage, Fälschungen zu
erkennen. «Apotheker sind Arzneimittelexperten und Impfstoffe sind
auch Arzneimittel», sagte Christian Splett von der Bundesvereinigung
Deutscher Apothekerverbände (ABDA). «Jede Apotheke muss jeden Tag
hundert oder mehr Rezepte auf ihre Echtheit prüfen. Apotheker trauen
sich daher zu, auch Impfausweise zu prüfen.»

Betrügern drohen nach Angaben des Gesundheitsministeriums indes
saftige Strafen: Den Verwendern eines gefälschten Impfausweises blüht
demnach Freiheitsentzug von bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe.
Den Erstellern drohen zwei Jahre im Gefängnis oder eine Geldstrafe.
«Ich kann immer nur sagen, am Ende betrügt man sich selbst», stellte

Spahn fest. Doch verfängt der Appell an die Moral?

Die Tatsache, dass Corona-Beschränkungen auch für negativ Getestete
fallen sollen, macht das Fälschen wohl vor allem für sogenannte
Corona-Kritiker attraktiv. Der Vorsitzende der Gewerkschaft der
Polizei (GdP) für die Bundespolizei, Andreas Roßkopf, stellte bereits
klar, dass der Handlungsspielraum für die Beamten eher gering ist.
Wer die Hürde in der Apotheke nehme, der sei relativ sicher, sagte
er. «Wir können nur das aufdecken, was für uns nachweisbar ist.»

Die digitale Signatur, die hinter dem geplanten EU-Zertifikat in Form
eines QR-Codes steckt, ist indes ein bewährtes Verfahren der
IT-Sicherheit: die sogenannte «Public-Key-Infrastructure» (PKI). Nach
Angaben der EU-Kommission funktioniert das Prinzip wie Schlüssel und
Schloss. Wurde der QR-Code - der Schlüssel - manipuliert, zeigt der
Scanner eine Fehlermeldung und die Tür bleibt verschlossen.

Doch könnte man sich einen digitalen Impfnachweis nicht einfach
ausborgen? Um dem vorzubeugen, soll dem Gesundheitsministerium
zufolge bei jeder Kontrolle geprüft werden, ob die Daten im
Impfnachweis mit denen im Personalausweis übereinstimmen. Ein Betrug
wie zu Teenager-Zeiten an der Club-Tür sollte also fehlschlagen: Der
CCC bescheinigt dem Versuch jedoch unter «Realbedingungen eine hohe
Erfolgsaussicht».

Wie viele gefälschte Impfausweise während der Reisesaison entdeckt
werden, wird letztlich sowohl von den Kontrollen etwa an den Grenzen
als auch beim Übertrag in den Apotheken abhängen. Der Sprecher des
Apothekenverbands zeigte sich zuversichtlich. Jedoch fehlten derzeit
«noch der gesetzliche Rahmen und technische Details». Viel Zeit
bleibt nicht mehr. Spätestens bis Ende des Monats soll der deutsche
CovPass im Einsatz sein.