US-Arzneimittelbehörde lässt umstrittenes Alzheimer-Medikament zu

Die Forschung an Alzheimer-Medikamenten erweist sich als große
Herausforderung. Seit fast 20 Jahren ist in den USA keine neuartige
Behandlungsmethode mehr zugelassen worden - bis jetzt. Doch der
Wirkstoff Aducanumab ist umstritten.

Silver Spring (dpa) - Trotz umstrittener Wirksamkeit hat die
US-Arzneimittelbehörde FDA ein neues Alzheimer-Medikament zugelassen.
Der Wirkstoff Aducanumab sei die erste neuartige Behandlungsmethode
gegen die neurodegenerative Erkrankung, die seit 2003 zugelassen
worden sei, teilte die FDA am Montag mit. Das vom
US-Biotechnologiekonzern Biogen entwickelte Medikament soll Patienten
mit Alzheimer im Frühstadium als monatliche Infusion gegeben werden
und den Abbau der Geisteskraft stoppen. Es ist damit auch der erste
in den USA zugelassene Wirkstoff, der dem Fortschritt der Krankheit
und nicht nur Symptomen entgegenwirken soll.

Wie gut Aducanumab wirkt, ist allerdings umstritten: Ein internes
Beratergremium der FDA hatte sich gegen die Zulassung ausgesprochen,
mehrere Wissenschaftler sich öffentlich skeptisch geäußert.
Zahlreiche Patienten-Organisationen hatten sich jedoch für die
Zulassung stark gemacht.

2019 waren zwei klinische Studien zur Erprobung von Aducanumab, das
unter dem Namen Aduhelm vermarktet wird, wegen fehlender Aussicht auf
Erfolg abgebrochen worden. Analysen eines unabhängigen
Expertengremiums hätten gezeigt, dass der getestete Antikörper nicht
wie erhofft den Abbau der geistigen Leistungsfähigkeit bremst, hatte
Biogen damals mitgeteilt. Vorangegangene Untersuchungen hatten
zunächst vielversprechende Ergebnisse geliefert - Eiweißablagerugen,
die bei Alzheimer-Patienten im Gehirn zu finden sind, schienen sich
zu reduzieren, die Verschlechterung der geistigen Leistungsfähigkeit
schien sich zu verlangsamen.

«Wir sind uns der Aufmerksamkeit rund um diese Zulassung sehr
bewusst», hieß es nun von der FDA. Man sei zu dem Schluss gekommen,
dass der Nutzen von Aducanumab größer sei als die Risiken. Der
Wirkstoff werde nun weiter genau beobachtet werden, zudem müsse der
Hersteller weitere Studien vornehmen. «Wenn der Wirkstoff nicht so
wirkt wie vorgesehen, können wir Schritte unternehmen, um ihn wieder
vom Markt zu holen.»

Biogen-Chef Michel Vounatsos bezeichnete die FDA-Zulassung als einen
«historischen Moment», der einen «Katalysator für eine neue Ära
der
Alzheimer-Forschung» darstellen werde. Der Hersteller bemüht sich
auch um eine Zulassung in der EU. Ein entsprechender Antrag wurde im
Oktober 2020 bei der europäischen Arzneimittelagentur Ema gestellt.

Rund 30 Millionen Menschen weltweit leiden unter Alzheimer - allein
in Deutschland leben nach Angaben der Deutschen Alzheimer
Gesellschaft etwa 1,6 Millionen Menschen mit Demenz, der Großteil von
ihnen hat Alzheimer. Es gibt nur sehr wenige Behandlungsmethoden.
Biogen hat noch keine Preisvorstellung für Aducanumab veröffentlicht,
Beobachter erwarten aber, dass das Medikament sehr profitabel für den
Hersteller sein könnte.

Alzheimer-Patienten verlieren innerhalb von Jahren geistige
Fähigkeiten und verändern sich in ihrer Persönlichkeit. Die
Erkrankung führt in der Regel zu Hilflosigkeit und schwerster
Bedürftigkeit - sowohl in psychischer als auch in körperlicher
Hinsicht. Viele erkennen ihre Angehörigen nicht mehr, manche werden
aggressiv.

Bei der Erkrankung sterben Hirnzellen ab. Es ist unklar, was genau im
Gehirn passiert. Eiweißfragmente (Amyloid-Peptide) lagern sich im
Hirn ab. Die Zellen schaffen es nicht, diese Ablagerungen
loszuwerden. Sie stören die Reizübertragung zwischen Hirnzellen und
machen sie so funktionsuntüchtig. Es gibt weder eine vorbeugende
Impfung noch ein Heilmittel gegen Alzheimer. Medikamente können die
Beschwerden allenfalls hinauszögern oder etwas lindern. Das Risiko,
an Alzheimer zu erkranken, steigt mit dem Alter.