Corona-Impfungen für Jedermann - doch es fehlt weiter an Impfstoff

Nun fällt auch im Südwesten die Priorisierung bei den
Corona-Impfungen komplett weg. Einen Impftermin für jeden gibt es
damit aber noch lange nicht. Auch bei den Spritzen für Kinder bleibt
es kompliziert.

Stuttgart (dpa/lsw) - Im Kampf gegen das Coronavirus fehlt es im
Südwesten weiterhin an Impfstoff. Dennoch darf sich seit diesem
Montag theoretisch jeder gegen das Virus impfen lassen - sofern er
einen Termin ergattern kann. Die Priorisierung fällt weg, nach den
Arztpraxen gibt es auch in den Impfzentren des Landes keinen Vorrang
mehr für bestimmte Gruppen. Etwas komplizierter es ist bei den
Impfungen für Kinder.

Was ist nun neu?

Seit Montag kann sich theoretisch jeder auch in den Impfzentren und
beim Betriebsarzt impfen lassen. Die Arztpraxen mussten sich bereits
seit dem 17. Mai nicht mehr an eine Priorisierung bestimmter Gruppen
halten. Dennoch achten die meisten Ärzte weiterhin darauf, wer eine
Impfung am ehesten benötigt.

Kann ich damit nun schneller mit einem Impftermin rechnen?

Nein. Es dürfte eher das Gegenteil der Fall sein. Die
Impfstofflieferungen bleiben nach Angaben des Gesundheitsministeriums
weiter hinter den Erwartungen zurück. Zugleich dürfte die Nachfrage
weiter steigen. Ein Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung
Baden-Württemberg (KVBW) sagte, er rechne damit, dass auch bei den
Praxen weiter viele Menschen nach Impfungen fragen. In den
Impfzentren stünden aktuell vor allem Zweitimpfungen an, Termine
seien aufgrund der geringen Impfstoffmengen weiter rar. Auch durch
den Start der Betriebsärzte rechnet der Sprecher eher mit einer
Verschärfung der Lage. Der Impfstart in den Unternehmen sei von
steigenden Liefermengen abhängig gemacht worden, diese blieben aber
aus.

Wie läuft der Impfstart bei den Unternehmen?

Viele Firmen zeigen sich ernüchtert aufgrund der geringen
Impfstoffmengen, die ihnen zu Beginn zur Verfügung stehen. Beim
Autobauer Daimler starten die Impfungen voraussichtlich erst am
Mittwoch, wie eine Sprecherin sagte. Das Interesse der Beschäftigten
sei groß: Es hätten sich bereits mehr als 70 000 für eine Impfung
registriert. Sobald genug Impfstoff vorhanden ist, möchte der
Autobauer deutschlandweit täglich bis zu 3000 Mitarbeiter impfen.
Auch beim Automobilzulieferer Bosch ist der Impfstart laut einer
Sprecherin erst für Dienstag geplant. Wegen begrenzter
Impfstoffverfügbarkeit würden in dieser Woche nur 5000 Impftermine
vergeben. Später sollen es täglich bis zu 6000 Impfungen sein.

Was ist mit Impfungen für Kinder?

Aus Sicht des Gesundheitsministeriums sollen zunächst nur Kinder und
Jugendliche mit Vorerkrankungen und einem anzunehmenden erhöhten
Risiko für einen schweren Verlauf der Covid-19-Erkrankung geimpft
werden. Auch solche mit besonders schutzbedürftigen
Familienmitgliedern oder anderen Kontaktpersonen im nächsten Umfeld,
die etwa nicht selbst gegen das Coronavirus geimpft werden können,
kommen in Frage. Hintergrund ist, dass die Ständige Impfkommission
(Stiko) bislang Corona-Impfungen von Kindern noch nicht empfiehlt.

Der Impfstoff von Biontech/Pfizer ist in der EU seit Ende Mai für
Kinder und Jugendliche ab zwölf Jahren zugelassen. In den Arztpraxen
sind Impfungen möglich. In den Impfzentren soll es diese nur für die
gefährdeten Gruppen geben. Eine Terminbuchung für Kinder und
Jugendliche über das Online-Portal sei derzeit nicht möglich, sondern
nur über die Hotline 116 117, sagte ein Ministeriumssprecher. Bereits
vereinbarte Termine könnten aber stattfinden.

Soll ich mein Kinder überhaupt impfen lassen?

Die Ständige Impfkommission hat dazu bislang keine Empfehlung
abgegeben. Deren Vorsitzender Thomas Mertens hatte zuvor gesagt, es
sei keine generelle Empfehlung für alle gesunden Kinder zu erwarten.
Es fehlten noch Daten, um das Risiko einer Covid-19-Erkrankung bei
Kindern gegen das mögliche Risiko einer Impfung abwägen zu können.
Eine Positionierung der Stiko wird in dieser Woche erwartet.

Der Virologe Christian Drosten verwies in dieser Frage in einem
Interview mit dem Magazin «Republik» jüngst auf neue Studiendaten.
Demnach zeigten rund vier Prozent der infizierten Kinder nach einem
Monat noch Symptome wie Geruchs- und Geschmacksverlust oder
dauerhafte Müdigkeit. «Will man das für sein Kind?», fragte Drosten
.
Auch mit Blick auf ein Multisystemisches Entzündungssyndrom, das bei
etwa einer von ein paar Tausend Impfungen auftrete, sagte der
Virologe: «Aus Elternperspektive wäre mein Kind geimpft. (...) Dieses
Risiko möchte ich nicht.»