Trotz Verbots erneut Protest gegen Corona-Maßnahmen in Stuttgart

Bilder wie am Karsamstag will man in Stuttgart nicht mehr sehen und
verbietet zwei Demos gegen die Corona-Politik. Vor Gericht beißen die
Organisatoren auf Granit. Einen ruhigen Tag erlebt die Stadt trotzdem
nicht.

Stuttgart (dpa/lsw) - Zahlreiche «Querdenker» und weitere Gegner der
Corona-Politik haben sich am Samstag trotz Demo-Verboten in Stuttgart
versammelt. In der Innenstadt skandierten sie Parolen, trugen
Trommeln und Fahnen. Abstände und die Maskenpflicht hielten viele
dagegen nicht ein. Die Polizei war mit einem Großaufgebot im Einsatz
und stoppte mehrere spontane, nicht genehmigte Aufzüge und
Gruppenbildungen und schrieb Hunderte Anzeigen gegen Teilnehmer. Es
gab mehr als 1000 Verstöße gegen die in der Innenstadt geltende
Maskenpflicht. Innenminister Thomas Strobl (CDU) kritisierte die
Proteste und lobte die Polizei für ihr Vorgehen.

Zwei geplante Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen hatte die
Stadt verboten und dafür Rückendeckung von den Gerichten erhalten.
Noch am Samstagvormittag hatte das Bundesverfassungsgericht zwei
gegen die Verbote gerichtete Eilanträge der Organisatoren abgewiesen.
Trotzdem hatte «Querdenken» noch im Verlauf des Tages dazu
aufgerufen, in die Stuttgarter Innenstadt zu kommen.

Mit dem Verbot wollte die Stadt vor allem verhindern, dass sich noch
einmal Szenen wie am Karsamstag abspielen, als bei einer
Demonstration der «Querdenker»-Bewegung bis zu 15 000 Teilnehmer ohne
Mund-Nasen-Schutz und ohne Abstand unterwegs waren. «Ich bin
erleichtert, dass die Gerichte so entschieden haben und damit die
Entscheidung der Stadt untermauert haben, die Demonstrationen zu
verbieten», betonte Sozialminister Manne Lucha (Grüne) am Samstag.
Lucha hatte die Entscheidung, die Demo am Karsamstag nicht zu
verbieten, in den Tagen zuvor heftig kritisiert.

Oberbürgermeister Frank Nopper (CDU) hatte am Samstagvormittag seinen
Appell erneuert, den Demonstrationen fernzubleiben, die von einer
Initiative mit dem Namen «Es reicht uns» und der Gruppe «Querdenken
7171» angemeldet worden waren. Eine noch kurzfristig angemeldete
Versammlung von Gegnern der Corona-Maßnahmen hatte die Stadt laut
Polizei ebenfalls verboten.

Nopper hatte unter anderem argumentiert, angesichts der steigenden
Infektionszahlen bedrohten die Proteste Leib und Leben der
Demonstranten und weiterer Menschen. Auflagen allein reichten zudem
wohl nicht aus, um das Risiko zu reduzieren.

Die Anmelder hatten eingewandt, von den Versammlungen gehe keine
unmittelbare und erhebliche Gefahr aus. Die Stadt könne sich auch
nicht auf die Sieben-Tage-Inzidenz berufen, da diese kein tauglicher
Parameter sei, um die Gefahren einzuschätzen.

Die Polizei zeigte unter anderem auch mit Reitern, Drohnen und
Wasserwerfern Präsenz. Über der Stadt schwebte ein Hubschrauber. An
mehreren Stellen kesselten die Einsatzkräfte über Stunden
«Querdenker» oder andere Gegner der Corona-Maßnahmen ein - mehr als
500 allein an einer Einkaufsstraßen-Kreuzung in der Innenstadt.
Insgesamt nahmen die Einsatzkräfte von mehr als 700 Teilnehmern die
Personalien auf, zeigten sie an und erteilten Platzverweise. Einige,
die sich besonders beharrlich verweigert hätten, seien mit auf die
Wache genommen worden, hieß es.

«Es ist irritierend und befremdlich, wenn wir in einer Zeit, in der
wir mit gegenseitiger Rücksichtnahme und größtmöglicher Vorsicht
aufeinander Acht geben sollten, erneut Hunderte von Polizistinnen und
Polizisten brauchen, um grundlegende Formen von Abstand und Anstand
zu überwachen», sagte Strobl. Der CDU-Politiker zeigte sich aber
erleichtert, dass sich die Bilder vom Karsamstag nicht wiederholt
hätten. «Stuttgart hat heute andere Bilder gesendet. Das ist gut für

Stuttgart, aber vor allen Dingen auch besonders wichtig für die
Gesundheit der Menschen», sagte er.

Zahlreiche Menschen beteiligten sich zudem an Gegendemonstrationen.
Unter anderem rollte am frühen Nachmittag ein Fahrradkorso durch die
Stadt. Auf dem Marienplatz fand eine Kundgebung statt - dort hatten
sich ursprünglich die «Querdenker» versammeln wollen.

Ein spontaner Aufzug mutmaßlich linker Gruppierungen sei aufgehalten
worden, um ein Zusammentreffen mit Gegnern der Corona-Politik zu
verhindern, erklärte die Polizei.

Auch in Heidelberg wurde am Samstag eine verbotene Versammlung von
Gegnern der Corona-Maßnahmen aufgelöst. Rund 80 Personen hätten sich

am Nachmittag auf der Schwanenteichanlage versammelt, teilte die
Polizei mit. Schon am Freitagabend war es bei einer Demonstration
gegen die Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie auf dem Karlsruher
Marktplatz zu zahlreichen Verstößen gegen die Corona-Verordnung
gekommen. Ebenfalls am Freitagabend war die Polizei in Stuttgart nach
eigenen Angaben bei einer Versammlung unter dem Motto «Gegen
Ausgangssperren - Für echte Pandemiebekämpfung statt Symbolpolitik»
eingeschritten, nachdem sich dort ein nicht erlaubter Demozug in
Bewegung gesetzt hatte.