Corona: Südafrika steht relativ gut da - aber keiner mag's glauben Von Ralf E. Krüger, dpa

Nach dem Fall der Apartheid am Kap hat sich Südafrika ein
sympathisches Image aufgebaut. Touristen aus aller Welt strömten ins
Land. Doch dann kamen mit Corona die Restriktionen. Nun hat das Land
längst zur Normalität zurückgefunden - doch niemand mag es glauben.

Johannesburg (dpa) - Der 19. Februar war ein großer Tag für die
Mediclinic in Südafrikas Touristenmetropole Kapstadt: «Zero Covid
Patients today» hieß es auf großen Transparenten - Heute null
Covid-Patienten». Seit Monaten rutschen in Südafrika die
Infektionszahlen auf neue Tiefststände - und der Trend hält an.
Gerade mal 1372 Neuinfektionen und 73 Todesfälle gab es diesen
Donnerstag, bei einer Bevölkerung von rund 60 Millionen Menschen. Zum
Vergleich: Deutschland zählt weit über 20 000 Neuinfektionen pro Tag.

Dennoch gilt Südafrika aus deutscher Sicht weiter als Hochrisikoland
und unterliegt damit strengen Einreisebeschränkungen, die auch den
Tourismus am Kap ausbremsen. Dagegen macht sich nun zunehmend Unmut
breit. Denn in dem Land hat das Leben fast wieder Normalität
erreicht. Angesichts der konstant niedrigen Corona-Neuinfektionen
werden daher Forderungen nach einer Lockerung der deutschen
Reise-Restriktionen lauter.

«Es gibt keinen Grund Vorurteile zu pflegen oder aus Angst vor
Südafrikanern, die die gefürchtete Variante in sich tragen, die
Grenzen zu schließen», schrieb der renommierte Virologe Tulio de
Olivieira am Sonntag in einem Gastbeitrag für die Zeitung «City
Press». Tourismusministerin Mmamoloko Kubayi-Ngubane erklärte, dass
ihr Ministerium deswegen bereits das Gespräch mit Staaten suche, die
solch drastische Reiserestriktionen erlassen hätten.

Dabei entsprechen die 4,4 Millionen Infektionen, die seit Ausbruch
der Pandemie in ganz Afrika bisher dokumentiert wurden, global
gesehen gerade mal einem Anteil von 3,3 Prozent. Rund 117 000
Menschen starben laut der panafrikanischen Gesundheitsorganisation
Africa CDC bisher an den Folgen der Infektion. Auch wenn nach Ansicht
von Experten die Dunkelziffer höher liegen könnte, so ist der gesamte
afrikanische Kontinent im globalen Vergleich am wenigsten betroffen.

«Dass der afrikanische Kontinent bislang besser durch die
Corona-Krise kam als erwartet, hat auch Fachleute überrascht; die
Ansteckungszahlen blieben deutlich unter den Prognosen», heißt es
auch in einer Studie des Afrika-Zentrums der Hochschule Flensburg.
Auch der wirtschaftliche Einbruch halte sich noch in Grenzen. «Etwas
mehr als zwei Prozent betrug der Einbruch des Bruttoinlandsprodukts
(BIP) im vergangenen Jahr; der Rückgang des BIP in Europa lag dagegen
bei sieben Prozent», heißt es in der Studie. Zentrumsdirektor Kay
Pfaffenberger sagt: «Wir gehen daher davon aus, dass spätestens im
kommenden Jahr das Vorkrisenniveau wieder erreicht sein wird.»

Warum nun dieser Imageschaden? Man traut den Afrikanern kaum zu, dass
sie effizient mit der Pandemie umgehen können und zweifelt ihre
Angaben an, meint die Frankfurter Unternehmerin Hanna Kleber, deren
PR-Firma Südafrikas Tourismusindustrie beraten hat. «Die
Glaubwürdigkeit Südafrikas wird leider stets infrage gestellt: man
glaubt der Regierung dort kaum, dass sie seriös testen kann», sagt
sie.

Seit Beginn der Pandemie wurden in dem am stärksten betroffenen Land
Afrikas knapp 1,6 Millionen Infektionen registriert, rund 53 500
Menschen starben an den Folgen. Doch sank die Zahl der Neuinfektionen
zuletzt drastisch. Die Heilungsquote liegt bei über 95 Prozent, die
Regierung hob daher die meisten Restriktionen auf. Selbst das Risiko
einer drohenden dritten Welle in Südafrika wurde in einem Modell der
Johannesburger Witwatersrand-Universität grade als gering eingestuft.
«Der Tourismus ist eine der Industrien, die von der Covid-19-Pandemie
am schwersten getroffen wurde», sagte Südafrikas Präsident Cyril
Ramaphosa vor kurzem in seiner Rede an die Nation.

Dabei stellt die Tourismusindustrie mit rund neun Prozent Anteil am
Bruttoinlandsprodukt eine wichtige Wirtschaftsstütze dar und sicherte
vor Corona-Zeiten Hunderttausenden Südafrikanern ein Einkommen. Auch
bei der großen Reisemesse «Africa Travel Weeks» Anfang April in
Kapstadt seien die Beschränkungen ein großes Thema gewesen, sagt die
südafrikanische Tourismusexpertin Natalia Rosa. «In mindestens acht
der Diskussionsforen wurde der schlechte Ruf thematisiert», sagt sie
und betont: «Afro-Pessimusmus ist ein Problem.»

Südafrika habe ungerechtfertigt ein Image-Problem - obwohl es bei der
Pandemie vergleichsweise gut da stehe. Besonders schlecht für das
Image sei der Name «südafrikanische Variante». «Viren-Mutationen gi
bt
es immer wieder; aber wenn das in New York oder irgendwo in
Deutschland entdeckt wird, spricht niemand von einer New Yorker oder
deutschen Variante», meint Rosa. Auch die Tourismusministerin
bestätigt in einem Interview: «Das hat die Marke Südafrika ziemlich
beschädigt.» Südafrika hat seit August 2020 seine Grenzen geöffnet
-
doch der internationale Tourismus bricht weg. Viele Lodgebesitzer
können Schulden oder Fixkosten nicht mehr decken.

Die Lufthansa hat ihr Flugangebot von und nach Südafrika aufgestockt,
nachdem sie es zu Jahresbeginn aufgrund von Einschränkungen beim
Reiseverkehr wegen einer neuen Coronavirus-Variante reduziert hatte.
Wegen dieser ansteckenderen Variante stufte die Bundesregierung
Südafrika als Corona-Risikogebiet mit besonders gefährlichen
Virusmutationen ein. Aus Sicht des am Kap wohnenden Deutschen
Franz-Josef Link (59) ist das Unfug. Er brachte daher eine
Online-Petition auf den Weg mit der Forderung, Südafrika von der
Restriktionsliste zu streichen. «Ich hatte sie am (vergangenen)
Samstag gestartet», sagte der aus Aschaffenburg stammende Link.
Innerhalb kurzer Zeit fand er Hunderte Unterstützer.