Debatte um für Frauenärzte wichtiges Medikament - Zugang erschwert

Frauenärzte schlagen Alarm: Ein Wirkstoff, der unter anderem für den
medikamentösen Schwangerschaftsabbruch eingesetzt werde, sei in
Deutschland nur noch erschwert zugänglich. Die Hintergründe sind
komplex.

Berlin (dpa) - Frauenärzte beklagen den erschwerten Zugang in
Deutschland zu einem Magenmittel, dessen Anwendung bei der Einleitung
von Geburten zuletzt für Aufsehen gesorgt hatte. In einem offenen
Brief an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) vom Freitag
führen über ein Dutzend Organisationen aus dem Bereich der
Frauengesundheit an, dass es für mehrere Einsatzbereiche zu dem
Präparat Cytotec (Wirkstoff Misoprostol) keine ausreichende
Alternative gebe. Das Mittel werde unter anderem für medikamentöse
Schwangerschaftsabbrüche gebraucht.

«Die Betreuung von Frauen in Notsituationen (insbesondere solchen,
die tabuisiert sind) ist gefährdet!», heißt es in dem Schreiben, das

der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Es sei für Deutschland nicht
tragbar, den Zugang zu dem «essentiellen Medikament» deutlich zu
erschweren. Die Verbände fordern, die Versorgung der Frauen
hierzulande mit dem Wirkstoff in den jeweils benötigten Dosierungen
zu sichern und den Zugang wieder zu erleichtern. Unterzeichnet ist
das Schreiben unter anderem vom Berufsverband der Frauenärzte, dem
Deutschen Hebammenverband, dem Pro Familia Bundesverband und der
Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG).

Cytotec wird in dem Brief an Spahn als etabliertes Standardmedikament
in der Gynäkologie und Geburtshilfe beschrieben. Angewendet wird es
dabei allerdings im sogenannten Off-Label-Use. Das heißt sinngemäß:
Gebrauch außerhalb des genehmigten Anwendungsgebiets. Dies ist Ärzten
grundsätzlich unter bestimmten Voraussetzungen möglich, setzt aber
zum Beispiel voraus, dass Patienten über die möglichen Folgen und
Risiken aufgeklärt wurden.

Im vergangenen Jahr hatten mehrere Medien über schwere Komplikationen
bei Mutter und Kind im Zusammenhang mit dem Einsatz von Cytotec als
Wehenauslöser berichtet, bis hin zum Tod von Babys. Die DGGG hatte
dazu erklärt, diese «Einzelfälle» beträfen vor allem Geburten, be
i
denen zuvor eine Operation der Gebärmutter erfolgt sei. «In dieser
Situation darf Misoprostol nicht zur Geburtseinleitung verwendet
werden», hieß es. Das sei seit Jahren bekannt.

Cytotec konnte schon länger nur noch importiert werden, es wurde
nicht mehr direkt von Pharmafirmen in Deutschland verkauft. Zuletzt
gab es Änderungen, letztlich der Auslöser für die aktuelle Kritik der

Verbände: Auf Anregung des Bundesinstituts für Arzneimittel und
Medizinprodukte (BfArM) hätten drei Importeure auf ihre
Parallelimport-Zulassungen verzichtet, teilte das BfArM auf
dpa-Anfrage mit. Ein Import werde aber unter bestimmten gesetzlichen
Regelungen weiterhin möglich sein, hieß es. Hintergrund für das
Vorgehen ist laut BfArM das mit dem Off-Label-Use in der Gynäkologie,
etwa zur Geburtseinleitung, verbundene Risiko «schwerwiegender
gesundheitlicher Schädigungen für schwangere Frauen und ungeborene
Kinder durch unsachgemäße Anwendung des dafür nicht zugelassenen
Arzneimittels».

Zur Off-Label-Anwendung von Cytotec zur Geburtseinleitung in
Deutschland liegen nach Angaben des BfArM in der europäischen
Nebenwirkungsdatenbank EudraVigilance mit Stand 22. März 440 Berichte
vor, die Meldungen zu Mutter und Kind umfassten. Einschränkend hieß
es, es handle sich um Verdachtsfälle unerwünschter
Arzneimittelwirkungen, ein Kausalzusammenhang sei im Einzelfall nicht
sicher belegt. In die Datenbank flössen Spontanmeldungen und Berichte
aus systematisierten Untersuchungen ein.

Das BfArM betonte weiter: «Mit dem Arzneimittel «Angusta 25
Mikrogramm Tabletten» ist zudem ein Arzneimittel für die
Geburtseinleitung zugelassen, das den Wirkstoff Misoprostol in der
richtigen Stärke zur Verfügung stellt.» Die Frauenärzte schreiben a
n
Spahn, jenes Mittel sei für mehrere weitere Einsatzbereiche zu
niedrig dosiert. Ein weiteres Misoprostol-Präparat (MisoOne) sei für
manche Eingriffe wiederum zu hoch dosiert. Zudem sei der
bürokratische Aufwand bei dessen Anwendung sehr hoch, «was dazu
führen kann, dass weniger Praxen den medikamentösen
Schwangerschaftsabbruch anbieten».