NRW-Sozialgerichtspräsident befürchtet Klagewelle wegen Corona

Essen (dpa) - Der Präsident des NRW-Landessozialgerichts, Martin
Löns, befürchtet eine Welle von Sozialrechtsklagen wegen der
Corona-Pandemie. In der akuten Krise seien Leistungen der
Grundsicherung vor allem für Selbstständige und Kurzarbeitergeld
vielfach in vereinfachten Verfahren ausgezahlt worden. Bei einer
gründlichen nachträglichen Prüfung könne es zu zahlreichen
Streitigkeiten kommen, sagte Löns am Freitag in Essen. Außerdem sei
mit einer Vielzahl von Verfahren zu Langzeitfolgen und möglichen
Dauerschäden von Covid-19 zu rechnen, die die Gerichte
voraussichtlich im kommenden Jahr beschäftigen würden.

Schon jetzt seien die Bestände an offenen Verfahren an den
NRW-Sozialgerichten mit über 100 000 «besorgniserregend hoch», sagte

Löns. Die Verfahrenszeiten hätten sich an den acht
NRW-Sozialgerichten durchschnittlich um einen Monat auf 13,6 Monate
verlängert. Auf eine Entscheidung im Berufungsverfahren mussten
Kläger wie im Vorjahr im Schnitt 14,9 Monate warten. NRW hat mit gut
1000 Beschäftigten die größte Sozialgerichtsbarkeit in Deutschland.
Zuständig sind die Gericht für Klagen etwa zu Arbeitslosengeld,
Kranken- und Rentenversicherung oder Arbeitsunfällen.

Löns beklagte eine starke Belastung der NRW-Sozialgerichte durch
Abrechnungsstreitigkeiten zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen.
Hier hätten sich «zigtausend» Fälle angehäuft. Immer wieder werde

darüber gestritten, ob Patienten zu lang im Krankenhaus waren oder
Abrechnungsschlüssel berechtigt seien. Löns konstatierte eine
«Verhärtung und Sprachlosigkeit» zwischen den Parteien. Die Folge
seien zahlreiche Prozesse, die bundesweit «hunderte von Millionen
Euro» kosteten - zu Lasten der Beitragszahler. Der Sozialrechtler
plädiert für vorgerichtliche Schiedsverfahren und eine entsprechende
Änderung des Bundesrechts.