Kliniken am Limit: Handeln an Obergrenze des Verantwortbaren

Kaum noch Intensivbetten, zusammengelegte Stationen, viele
Sterbefälle: Die steigende Zahl der Covid-Patienten belastet das
Klinikpersonal zunehmend. Können Notfallpatienten ohne Covid noch
versorgt werden? Ein Mediziner schlägt Alarm.

Cottbus/Potsdam (dpa/bb) - Kliniken in Brandenburg schlagen Alarm -
die dritte Corona-Welle hat sie mit voller Wucht erreicht. Vor allem
in Südbrandenburg ist die Lage auf den Covid-Stationen der
Krankenhäuser äußerst angespannt. Der Süden ist derzeit wieder
Corona-Hotspot. Der größte Versorger der Region, das
Carl-Thiem-Klinikum (CTK) in Cottbus, unterstützt nach eigenen
Angaben andere Krankenhäuser bei der Patientenbetreuung, weil sie
keine Covid-Patienten mehr aufnehmen können. Aktuell werden 37
Covid-Patienten behandelt - 16 von ihnen liegen auf der
Intensivstation. Deren Durchschnittsalter betrage 62 Jahre, sagte
Sprecherin Anne Holzschuh am Donnerstag der dpa.

Die psychische Belastung für das Pflegepersonal sei durch die vielen
Sterbefälle und das enorme Arbeitsaufkommen groß, berichtete die
Sprecherin. Seit der zweiten Welle sei keine Zeit gewesen
aufzutanken. Derzeit werden auch am CTK nur dringend notwendige
Operationen durchgeführt. Inzwischen zeige sich auch, dass neben den
Covid-Patienten viele schwer erkrankte Patienten ebenfalls auf eine
dringende Behandlung angewiesen sind, sagte Holzschuh. Gleichzeitig
schloss sie bei einer steigenden Zahl von Covid-Patienten weitere
Zusammenlegungen von Stationen nicht aus.

Auch im Klinikum Niederlausitz in Senftenberg (Oberspreewald-Lausitz)
bleibt die Zahl der Corona-Patienten konstant hoch. Zugleich gibt es
immer mehr Notfallpatienten ohne Corona. Kliniksprecherin Kristin
Dolk zeichnete ein düsteres Bild. Seit drei Tagen würden wieder mehr
geplante Eingriffe verschoben, um die Notfallversorgung absichern zu
können. Der Zustand vieler Patienten ohne Covid sei aber mittlerweile
so dramatisch, dass es kaum noch Behandlungen gebe, die medizinisch
vertretbar verschoben werden könnten, um Betten in Pandemiebereichen
aufzustocken. Verlegungen von Patienten will das Klinkum vermeiden,
im Einzelfall könne das aber notwendig werden. «Aktuell stellen wir
fest, dass es schwieriger wird, ein anderes Krankenhaus zu finden,
das die Patienten aufnimmt», berichtete Dolk.

«Wir handeln an der Obergrenze des medizinisch Verantwortbaren. Die
Fallzahlen müssen runter, sonst ist unser Versorgungsauftrag in
Gefahr», beschrieb Klinikum-Geschäftsführer Tobias Vaasen die Lage.
Das Personal habe einen monatelangen Corona-Marathon in den Knochen
und keine Reserven mehr. Die psychische Belastung - auch durch viele
Sterbefälle - sei enorm. «Es braucht weniger Kontakte und mehr
Impfungen, damit uns die Betten nicht ausgehen!», appellierte er.

Aktuell sind 16 Covid-19-Patienten in Behandlung, von denen 4
intensivmedizinisch betreut und 2 beatmet werden. Am vergangenen
Montag sei mit 27 Covid-19-Patienten der höchste Wert seit Anfang
März erreicht worden. «Wir mobilisieren jetzt unsere letzten Kräfte
in der Pandemiebewältigung.»

Am größten Krankenhaus in Westbrandenburg, dem Klinikum Ernst von
Bergmann (EVB) ist die Versorgung von Covid-Patienten derzeit zwar
angespannt, aber weiterhin sichergestellt, wie Sprecherin Theresa
Decker berichtete. Die notwendige Aufstockung der Intensivbetten
werde im Rahmen eines Stufenplans vorbereitet. Aktuell werden 24
Covid-Patienten betreut, davon 16 Patienten auf der Intensivstation.

Erleichtert sei das Klinikum, dass 3000 Mitarbeitende am
Klinikstandort Potsdam bereits eine erste Corona-Schutzimpfung
erhalten haben - das ergebe eine Impfquote über 80 Prozent. Knapp
2500 Mitarbeitende sind der Sprecherin zufolge bereits durch eine
zweite Impfung geschützt. «Corona-Neuinfektionen bei unseren
Mitarbeitenden kommen seit Wochen nur noch vereinzelt vor - das
stimmt uns optimistisch», sagte Tillmann Schumacher, Oberarzt der
Klinik für Infektiologie am EVB. Die Impfung sei ein zusätzlicher
wichtiger Baustein im Hygiene- und Sicherheitskonzept.

In den Ruppiner Kliniken (Ostprignitz-Ruppin) steigen die Zahlen der
Covid-19-Kranken seit Ende März wieder an. Derzeit werden 29
Patienten betreut, davon 12 intensivmedizinisch, sechs müssen beatmet
werden, berichtete Sprecherin Verena Clasen. Mitte Januar habe es mit
100 Covid-Patienten einen Höchststand gegeben.

Im Kreiskrankenhaus Prignitz in Perleberg werden aktuell 15
Covid-Patienten behandelt, zwei weitere liegen auf der
Intensivstation. In den vergangenen Tagen waren die Betten nahezu
voll belegt. Die Zahl der Patienten mit anderen Erkrankungen sei
hoch, sagte Sprecherin Jaqueline Braun. Da die steigende Tendenz an
Covid-Patienten bereits länger anhalte, liefen Vorbereitungen, um die
Aufnahmekapazitäten weiterhin kurzfristig zu erhöhen.