Lieber auf Nummer sicher gehen: Kontrollen im Corona-Hotspot Hof Von Mirjam Uhrich, dpa

Fast nirgendwo sind die Infektionszahlen in Deutschland so hoch wie
in Hof. Während die Bundesregierung noch diskutiert, hat die
oberfränkische Stadt längst die Notbremse gezogen. Schulen sind
dicht, Läden sowieso und abends darf niemand mehr vor die Tür. Die
Kontrollen sind streng.

Hof (dpa) - Von der Fußgängerzone zum Bahnhof, ein Abstecher zum
abgesperrten Basketballplatz, dann zum Seeufer und wieder zurück an
den Bahnhof: Die Polizei demonstriert Präsenz im Corona-Hotspot Hof.
Fast nirgendwo sonst in Deutschland ist die Inzidenz so hoch wie in
der oberfränkischen Stadt mit ihren knapp 50 000 Einwohnern. Seit
Tagen schieben die Beamten deshalb Sonderschichten, selbst aus
Nürnberg und Würzburg kommt Verstärkung von der Bereitschaftspolizei.

Allein in der Nacht zu Freitag rücken neun Fahrzeuge aus Unterfranken
aus, immer wieder kreuzen sich ihre Wege mit den Streifen aus Hof und
den Kontrolleuren vom Ordnungsamt.

Hof ist wohl so sicher wie noch nie - und gleichzeitig ist die
Unsicherheit riesig. Denn der Gegner ist unsichtbar, ein Virus, das
die Stadt seit Monaten lahmlegt. Die Lokale sind seit November dicht,
die meisten Läden seit Dezember und die Schulen seit Februar. Ohne
Ausnahme, nicht einmal für Abschlussklassen. Trotzdem sind die
Infektionszahlen viel zu hoch. Seit Anfang April lag Hof bundesweit
an der Spitze, am Freitag erstmals auf Platz zwei mit mehr als 460
Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner binnen sieben Tage.

«Es ist für uns schwer erklärbar, warum ausgerechnet bei uns die
Zahlen so hoch sind», meint Matthias Singer, Vize-Chef der Polizei
Hof. Er deutet auf einen verlassenen Basketballplatz, der mit einem
Absperrband notdürftig abgeriegelt ist. «Das ist ein Treffpunkt
gewesen, zum Ballspielen, zum Musikhören und Reden. Seitdem der Platz
gesperrt wurde, kommen kaum noch Leute her.» Aber auch sonst würden
sich die allermeisten Leute in der Stadt an die Regeln halten.

Die immens hohen Zahlen sind ein Rätsel, vor dem auch die Politik
steht. Pendler schleppen wahrscheinlich das Virus ein,
hochansteckende Mutationen breiten sich aus, aber auch die Jüngsten
scheinen sich schnell zu infizieren. Immerhin 350 Kinder in Hof
besuchen die Notbetreuung der Schulen, mehr als 550 die Kitas. Allein
in der vergangenen Woche habe es in 16 Kitas in Stadt und Landkreis
Coronafälle gegeben, sagte Landrat Oliver Bär (CSU) in einer
Pressekonferenz am Donnerstag. Selbst die Notbetreuung musste dann
oft schließen.

Also greifen Stadt und Landkreis durch, verkünden Maßnahmen um
Maßnahmen. Schon ab 20.30 Uhr darf in Hof niemand mehr das Haus
verlassen, die Sportanlagen sind gesperrt, auf Spielplätzen gilt
Maskenpflicht, und Gottesdienste sind auch nicht mehr erlaubt.
Vielleicht weichen die Hofer aus, fahren nur wenige Kilometer weiter?
Nein, einen «Gottendienst-Tourismus» gebe es nicht, beteuert Dekan
Günter Saalfrank.

Trotzdem werden die Regeln ab Samstag noch einmal verschärft. Dann
gilt die Notbetreuung nur noch für Kinder, deren Eltern beide
systemrelevanten Berufen nachgehen. Verkäufer und Kassierer müssen
eine Maske tragen, genauso wie Friseure und Kosmetiker bei der Pflege
von Gesicht und Bart. Auch die Einkaufswagen sollen künftig ständig
desinfiziert werden. Die große Hoffnung liegt aber beim Impfen: Ab
dem Wochenende soll die Bundeswehr mit anpacken, Anfang der Woche
erhält die Region 2000 zusätzliche Impfdosen.

Die Stadt habe inzwischen eine ganze Liste mit Maßnahmen, räumt die
Oberbürgermeisterin Eva Döhla (SPD) am Donnerstag bei der
Pressekonferenz ein. Es werde «völlig zurecht gefragt: Lässt sich das

denn alles noch kontrollieren? Ist denn das, was angeordnet wird,
überhaupt noch durchsetzbar?»

Doch es wird kontrolliert - und immer mehr beanstandet. «Es gibt
Tage, da machen die Corona-Kontrollen fast ein Drittel des
Tagesgeschäfts aus», sagt Matthias Singer von der Polizei. Rund 600
Verstöße gegen die Corona-Regeln meldeten die Beamten vergangenes
Jahr. Seit Januar sind waren es nun schon knapp 450 Anzeigen, davon
allein 140 seit der Verschärfung der Regeln am vergangenen Samstag.

Es sind Szenen wie am Hauptbahnhof am Donnerstagabend: Drei Männer
und eine Frau trinken Alkohol und rauchen, alles ohne Abstand und
Maske. Die Polizei stellt sie zur Rede, ihnen drohen eine Anzeige und
250 Euro Bußgeld. «Ich weiß gar nicht, wie ich das zahlen soll»,
lallt einer der Männer und fuchtelt mit seiner Bierflasche durch die
Luft.

«Bei einem Freiluftstammtisch oder Corona-Partys gibt es überhaupt
keinen Spielraum», betont Singer kopfschüttelnd. Doch oft gehe es um
Fingerspitzengefühl. Als eine Neunjährige mit ihrem Hund Gassi geht
und dabei zufällig zwei Freunde trifft, drücken die Beamten noch
einmal ein Auge zu. Bei der Kontrolle «hat man selbst auch ein
schlechtes Gewissen», räumt einer der Polizisten ein.

Sonst bleibt es ruhig, wenige Stunden nach Bekanntgabe der erneuten
Verschärfung der Regeln. Ein Schneesturm treibt die Menschen in ihre
Häuser, aber auch die Kontrollen sprechen sich herum, meint der
stellvertretende Leiter der Polizei. Der Kampf gegen die Pandemie sei
eine «gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Das geht nur, wenn sich jeder
an die Regeln hält und wir mit unseren Kontrollen unseren Beitrag
leisten», betonte Singer. «Wir sind alle auch Privatpersonen, die
irgendwann wieder in den Urlaub fahren möchten oder Freunde treffen
wollen.»