Bedford-Strohm: Nationales Gedenken für Opfer in Pandemie ist wichtig

Fast 80 000 Tote - so viele Opfer beklagt Deutschland schon in der
Corona-Pandemie. Ihrer soll jetzt in einer nationalen Veranstaltung
gedacht werden. Der EKD-Ratsvorsitzende begrüßt die Initiative des
Bundespräsidenten hierzu. Denn öffentliche Anteilnahme sei wichtig.

Berlin/München (dpa/lby) - Der nationale Gedenkakt für die
Verstorbenen in der Corona-Pandemie am Sonntag kommt nach Auffassung
des Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland,
Heinrich Bedford-Strohm, zum richtigen Zeitpunkt. Ein solches
öffentliches Gedenken sei «sehr wichtig», sagte der bayerische
Landesbischof der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. «Die
Sterbezahlen sind so dramatisch, dass wir genau das jetzt brauchen.
Hier trauert eine ganze Gesellschaft um viel zu viele Tote, das
verdient öffentliche Anteilnahme.»

Auf Initiative von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier gibt es am
Sonntag im Konzerthaus am Gendarmenmarkt in Berlin eine zentrale
Gedenkveranstaltung für die Verstorbenen in der Corona-Pandemie. Seit
deren Ausbruch vor gut einem Jahr sind in Deutschland fast 80 000
Menschen an den Folgen oder im Zusammenhang mit einer Infektion mit
dem Virus gestorben.

Vor dem Gedenkakt mit den Spitzen der fünf Verfassungsorgane und
Hinterbliebenen wird in der Gedächtniskirche in Berlin ein
ökumenischer Gottesdienst gefeiert. Dieser wird von Bedford-Strohm
zusammen mit dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz,
Bischof Georg Bätzing, gehalten. Gedenkakt und Gottesdienst werden
live im öffentlich-rechtlichen Fernsehen übertragen.

Auf die Frage, ob Trauer nicht eine sehr persönliche Angelegenheit
sei, antwortete Bedford-Strohm: «Das glaube ich nicht. Es gibt auch
so etwas wie öffentliche Seelsorge.» Genau diese sei nun notwendig.
«Es spielt eine große Rolle, ob Menschen, die trauern, das Gefühl
haben, dass sie von einer Gemeinschaft getragen sind, vielleicht
sogar von der Gemeinschaft eines ganzen Landes. Wir wissen als Kirche
sehr genau, wie wichtig dieses Getragensein durch das Gebet und die
Anteilnahme anderer Menschen ist.»

In den zurückliegenden Monaten hätten Inzidenzwerte, virologische
Befunde und praktische Fragen des Alltags im Vordergrund gestanden.
«Aber was dieses Virus mit der Seele macht, das hat viel zu wenig
öffentliche Beachtung gefunden.» Dies beschäftige Menschen in ihrem
persönlichen Leben aber massiv. «Ich selbst spüre das in meinen
Seelsorge-Gesprächen, wo die Belastung aus den Menschen geradezu
heraus platzt.»

Deshalb sei es gut und wichtig, dass jetzt das Thema Sterben und Tod
ins Zentrum gerückt werde, sagte der EKD-Ratsvorsitzende. «Und es ist
einfach so, dass dazu öffentliche Akte ein wichtiger Ort sind.»
Natürlich hätten die Kirchen dieses Thema permanent angesprochen.
«Aber es ist noch mal etwas Anderes, wenn der Bundespräsident sagt:
Ich möchte, dass dieser Tag der Tag des Gedenkens an die Opfer von
Corona ist, aber auch an die vielen anderen Menschen, die in dieser
Zeit gestorben sind und nicht die Begleitung haben konnten, die sie
sonst hätten haben können.»

Dass die Kirchen dabei einen vom Fernsehen übertragenen ökumenischen
Gottesdienst hielten, sei zentral für sehr viele Menschen, für die
Tod und Trauer auch eine religiöse Frage sei. «Ihnen hilft ihr Glaube
dabei, mit dieser Situation umzugehen. Es ist wichtig, dass Themen
wie die Endlichkeit, die Unkontrollierbarkeit, die Ohnmacht bei
dieser Frage einen klaren Ort haben, der darüber hinaus weist und von
Hoffnung und Zuversicht spricht.»

Für Menschen, die eine extreme Ohnmachtserfahrung machten, weil sie
einen Menschen verlieren - oft auch in kurzer Zeit - und einfach
nichts tun können, sei es wichtig zu wissen, «dass es viele andere
Menschen gibt, die an sie denken, die für sie beten, die mitleiden
und verstehen, wie es ihnen jetzt geht», sagte Bedford-Strohm. «Das
ist auch eine öffentliche Sache. Und wenn das die Kirchen öffentlich
sagen, wenn das der Bundespräsident öffentlich sagt, dann hilft das.»