Gericht bestätigt Protestverbote - Stuttgart rüstet sich dennoch

Kurz dürfte Stuttgarts OB Frank Nopper aufgeatmet haben nach der
Entscheidung des Gerichts: Die kommenden Demos gegen die
Corona-Politik bleiben verboten. Zunächst, denn die Veranstalter
können sich noch wehren. Und die Stadt bereitet sich vor.

Stuttgart (dpa/lsw) - Nach den Verboten für die beiden geplanten
Demonstrationen gegen die Corona-Politik am Samstag hat die Stadt
Stuttgart Rückendeckung des Verwaltungsgerichts erhalten. Dennoch
bereitet sie sich vor. Denn trotz der bislang noch gültigen Verbote
erwartet die Polizei nach eigenen Schätzungen Tausende Demonstranten.
Für Samstag wurde deshalb eine Maskenpflicht in der Innenstadt
verfügt.

Im Streit um die Verbote hatten die Stadt und Stuttgarts
Oberbürgermeister Frank Nopper (CDU) unter anderem argumentiert,
angesichts der steigenden Infektionszahlen bedrohten die
Versammlungen Leib und Leben der Demonstranten und weiterer Menschen.
Diese Auffassung teilte am Donnerstag das Verwaltungsgericht.
Auflagen allein reichten zudem wohl nicht aus, um das Risiko zu
reduzieren. «Es wäre zu erwarten, dass diese Auflagen von einer
großen Zahl der zu erwartenden Teilnehmer nicht eingehalten würden»,

gab eine Sprecherin den Tenor der Entscheidung wieder. Auch gebe es
Zweifel an der Zuverlässigkeit der Versammlungsleiter.

Die Entscheidungen sind allerdings noch nicht rechtskräftig. Die
Veranstalter können dagegen vorgehen und vor den
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim ziehen.

Sie hatten nach den Verboten durch die Stadt zunächst Eilanträge
gegen die Entscheidungen gestellt. Nach Angaben des Gerichts hatten
sie eingewandt, von den Versammlungen gehe keine unmittelbare und
erhebliche Gefahr aus. Die Stadt könne sich auch nicht auf die
Sieben-Tage-Inzidenz berufen, da diese kein tauglicher Parameter sei,
um die Gefahren einzuschätzen. Dem hatte das Rathaus widersprochen -
und zeigte sich nun zufrieden. «Schön, dass das Verwaltungsgericht
dieser Auffassung gefolgt ist», sagte ein Sprecher am
Donnerstagabend.

Mit dem Verbot wollten Nopper und seine Verwaltung vor allem Szenen
wie am Karsamstag verhindern, als bei einer Demonstration der
«Querdenker»-Bewegung bis zu 15 000 Teilnehmer ohne Mund-Nasen-Schutz
und ohne Abstand unterwegs waren. Danach war eine Debatte entfacht,
ob solche Veranstaltungen verboten werden könnten. Die Stadt hatte
die Erlaubnis für die Demonstration verteidigt und auf das
Versammlungsrecht verwiesen, das trotz Corona gelte.

Das hatte das Sozialministerium anders gesehen: Die Demonstration
hätte nach seiner Einschätzung durchaus verboten werden können, hatte

Minister Manne Lucha (Grüne) im Innenausschuss des Landtags betont
und gesagt: «Auflagen stoßen hier an Ihre Grenzen, ein Verbot der
Versammlung ist damit möglich.»

In einer Gemeinderatssitzung am Donnerstag nahmen unter anderem
Oberbürgermeister Nopper und Sicherheitsdezernent Clemens Maier
Stellung zu den Geschehnissen am Karsamstag. Nopper sagte: «Ich habe
allergrößtes Verständnis für die massive Verärgerung in der
Bevölkerung über die Corona-Verstöße, die sich während der
Corona-Demonstrationen ereignet haben.» Der gemeinsame Blick nach
vorne sei nun das Gebot der Stunde. «Wir sollten uns in schwerer
Pandemie-Zeit mit vereinten Kräften und mit aller Entschiedenheit
gegen diejenigen wenden, die die Versammlungsfreiheit missbrauchen,
die den Staat vorführen wollen und die sich über den Gesundheits- und
Infektionsschutz zum Nachteil ihrer Mitmenschen vorsätzlich
hinwegsetzen», so Nopper.

Für den kommenden Samstag geht die Stadt trotz der Verbote davon aus,
dass Menschen aus Protest auf die Straße gehen werden. Das gehe auch
aus Ankündigungen in den sozialen Medien hervor, hieß es. «Die Stadt

verfügt einmalig die Maskenpflicht aufgrund der steigenden
Sieben-Tage-Inzidenz von 179,9 in Stuttgart sowie wegen der
angemeldeten Versammlungen im Stadtgebiet am Samstag», teilte die
Stadt weiter mit. OB Nopper will am Samstagmorgen zudem «mit einem
riesigen 0711-Regenbogen» ein Zeichen für Solidarität und
Gemeinsamkeit geben an dem Platz, an dem am Karsamstag die
Demonstration zum Cannstatter Wasen ihren Ausgangspunkt hatte.

Die Maskenpflicht ist unter anderem relevant, weil Anhänger der
sogenannten Querdenken-Bewegung die Politik zum Eindämmen der
Corona-Pandemie kritisieren und die Maßnahmen als Einschränkung der
Grundrechte bewerten. Eine große Zahl verweigert sich auch dem Tragen
von Masken.


In den vergangenen Wochen haben sich die Gerichte nicht eindeutig
festgelegt, wann die Gegner der Corona-Politik auf die Straße gehen
können und wann nicht. Für das vergangene Wochenende hatten zum
Beispiel die Städte Heilbronn und Rastatt geplante Demos mit Verweis
auf den Infektionsschutz untersagt. In beiden Fällen wehrten sich die
Veranstalter, in Heilbronn auch mit Erfolg.