Corona: Forderungen nach Aufhebung der Impfpriorität mehren sich

Die Corona-Infektionen nehmen auch in Sachsen zu, die Krankenhäuser
füllen sich. Noch ist die für einen strengeren Lockdown festgelegte
Belastungsgrenze nicht erreicht - doch die Lage ist mancherorts
bereits dramatisch.

Dresden (dpa/sn) - In Sachsen mehren sich die Forderungen nach
Aufhebung der Reihenfolge für die Corona-Schutzimpfungen. Nachdem am
Donnerstag der Medizinische Vorstand des Universitätsklinikums
Dresden, Michael Albrecht, eine Abkehr von der Impfpriorisierung
verlangte, legte wenig später die CDU-Landtagsfraktion unter der
Überschrift «Impfen für alle!» nach. Um die Impfgeschwindigkeit zu

erhöhen, sei es notwendig, die bisherige Priorisierung bis spätestens
Mai komplett auszusetzen, erklärte CDU-Generalsekretär und
Sozialexperte Alexander Dierks.

«Bund und Länder müssen hierfür zügig die rechtlichen Voraussetzu
ngen
schaffen. Die Priorisierung ist ein richtiges Instrument, um in
Zeiten von Impfstoffknappheit besonders gefährdete Menschen zu
schützen. Wenn allerdings kein Mangel mehr besteht, wirkt sie
zulasten des notwendigen Impffortschritts», argumentierte Dierks. Die
geplante Öffnung für die Prioritätengruppe 3 sei ein erster Schritt.


Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) und Gesundheitsministerin
Petra Köpping (SPD) hatten am Mittwoch auf einem Forum mitgeteilt,
dass Sachsen in der kommenden Woche auch Personen der dritten
Kategorie Impfungen ermöglicht. Aus dieser Gruppe betraf das bisher
nur Leute im Alter ab 60. Nun soll es Impfungen auch für Personen mit
bestimmten Erkrankungen sowie für Personal ausgewählter Branchen und
Bereiche geben. Dazu gehören etwa Feuerwehr, Polizei,
Bestattungswesen, Apotheken, Wasser- und Energieversorgung sowie
Mitarbeiter des Einzelhandels und der Kinder- und Jugendhilfe.

Nach Angaben des Gesundheitsministeriums erhalten ab diesem Freitag
alle Beschäftigten an allgemein- und berufsbildenden Schulen ein
Impfangebot. Bisher waren nur Mitarbeiter in Kitas, Kindertagespflege
sowie von Grund- und Förderschulen impfberechtigt. «Die
Infektionslage spitzt sich weiter zu. Daher halte ich diesen Schritt
für erforderlich. Schulen und Kitas sind ein besonders sensibler
Bereich, den wir auch besonders schützen müssen», erklärte Köppin
g.

Uniklinik-Vorstand Albrecht mahnte mehr Tempo an. «Jetzt geht es um
Geschwindigkeit», sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Man müsse
verstärkt die impfen, die viel unterwegs sind, Kontakte haben und
gefährdeter sind, sich anzustecken. «Es geht darum, in kurzer Zeit
möglichst viele Leute zu impfen und sich nicht endlos in
bürokratischen Diskussionen um Priorisierungslisten aufzuhalten.»

Die Lage in Krankenhäusern beschrieb Albrecht so: «Wir sind
alarmiert». In der Region Chemnitz-Westsachsen sei die Dynamik
deutlich stärker, die Situation im Erzgebirgskreis an der
tschechischen Grenze sei besonders dramatisch. «Wir haben noch eine
Woche Zeit, um die weitere Entwicklung abzuwarten.» Am Mittwoch waren
nach seinen Angaben knapp 1200 Klinikbetten auf Normalstationen mit
Covid-19-Patienten belegt, aber die Region Chemnitz-Westsachsen hat
mit 658 die regionale Grenze (500) schon um ein Drittel
überschritten.

Bei mehr als 1300 belegten Betten landesweit sieht die aktuelle
Verordnung eine Rückkehr zum strengeren Lockdown vor. Das sind laut
Albrecht, der ein Prognosesystem zur Entwicklung der Situation
sächsischer Krankenhäuser entwickelt hat, 40 Prozent der Belegung vor
Weihnachten. «Nach meiner Prognose werden wir diese Grenze in etwa
einer Woche (21. April) knapp reißen.» Dann blieben zwei bis drei
Wochen Vorlauf für den Effekt eines kompletten Lockdowns.