CSU und Freie Wähler streiten auf offener Bühne um Notbremse

Eigentlich greift sie in Bayern ohnehin - die Corona-Notbremse, die
der Bund erst noch beschließen will. Die Verlagerung von Kompetenzen
nach Berlin erzürnt die Freien Wähler aber so, dass ihr Chef Hubert
Aiwanger einen offenen Koalitionskrach in Kauf nimmt.

München (dpa) - Im Streit um eine bundesweit einheitliche
Corona-Notbremse ist in der bayerischen Regierungskoalition ein
offener Schlagabtausch zwischen CSU und Freien Wählen entbrannt.
CSU-Generalsekretär Markus Blume warf dem Koalitionspartner
mangelndes Urteilsvermögen vor: «Die Freien Wähler haben den Ernst
der Lage nicht erkannt», erklärte Blume. Es sei verantwortungslos,
gegen die Bundes-Notbremse vor dem Bundesverfassungsgericht zu klagen
- zumal die Freien Wähler die Ausgangsbeschränkungen in Bayern alle
mitbeschlossen hatten.

«Realität ist: Klagen eines Herrn Aiwanger beeindrucken das Virus
nicht. Die Menschen brauchen jetzt verlässliche Lösungen und keinen
Flickenteppich», sagte Blume. Der Freie-Wähler-Bundesvorsitzende und
bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger hatte zuvor
angekündigt, seine Partei werde nach Karlsruhe ziehen.

Die Freien Wähler reagierten umgehend: Das Virus reagiere nicht auf
die Umverteilung von politischen Kompetenzen, sondern auf Impfungen,
Tests und Schutzmaßnahmen, heißt es in einer am Donnerstag
verbreiteten Stellungnahme des parlamentarischen Geschäftsführers,
Fabian Mehring. «Mit dem Impfdesaster, dem Testdebakel sowie dem
Chaos um die Osterruhe hat dabei keine politische Ebene kläglicher
versagt und mehr Vertrauen verspielt als der Bund.»

Dass ausgerechnet die CSU die Entscheidungshoheit nach Berlin
weiterzugeben bereit sei, führte Mehring auf das aktuell
stattfindende Duell um die Kanzlerkandidatur der Union zwischen
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und CDU-Chef Armin
Laschet zurück. Die Freien Wähler übernähmen nun die jahrzehntelang

der CSU zugefallene Rolle, sich an Karlsruhe zu wenden, um das Land
vor Berliner Übergriffen zu verteidigen.

Freie-Wähler-Parteichef Aiwanger hatte am Vortag eine Klage gegen die
Notbremse-Regelung beim höchsten deutschen Gericht angekündigt. «Mit

einer Änderung des Infektionsschutzgesetzes will Kanzlerin Angela
Merkel (CDU) und die schwarz-rote Bundesregierung die Länder in ihren
Kompetenzen beschneiden», hatte Aiwanger erklärt. Der Bund sei nicht
die richtige Ebene, pragmatische und sinnvolle Entscheidungen
anstelle der Länder zu treffen.

Dagegen verteidigte Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) die
Notbremse-Regelung. Die darin enthaltenen Beschränkungen seien ein
wichtiges Mittel, um die dritte Pandemie-Welle unter Kontrolle zu
bringen, sagte der CSU-Politiker der «Augsburger Allgemeinen»
(Donnerstag). «Wir brauchen einen spürbaren und dauerhaften Rückgang

der Infektionszahlen und müssen unser Gesundheitssystem vor einer
Überlastung schützen.»

Auch von wissenschaftlicher Seite werde die Effektivität der
Ausgangsbeschränkungen überzeugend bestätigt, sagte der
CSU-Politiker. «Die erste Welle der Pandemie hat gezeigt, dass
zuverlässig eingehaltene kontaktreduzierende Maßnahmen zusammen mit
einem strikten Containment maßgeblich zur Eindämmung der Pandemie
beitragen.»

Die Notbremse, die auf Bundesebene nun geplant ist, gilt in Bayern
ohnehin bereits und wird auch durchgesetzt. Allerdings könnten einige
Sonderregelungen, die für Bayern gelten, durch ein Bundesgesetz
aufgehoben werden.