RKI sieht dramatische Situation in Kliniken

Einige Intensivstationen sind in der Pandemie schon am Anschlag. Das
Robert Koch-Institut rät zu Verlegungen in andere Regionen - und
fordert die Politik zum Handeln auf.

Berlin (dpa) - Das Robert Koch-Institut hat die Politik eindringlich
aufgefordert, die dritte Welle in der Corona-Pandemie zu brechen.
«Wir müssen die Zahlen runterbringen. Es ist naiv zu glauben, das
Virus wegtesten zu können. Das funktioniert nicht», sagte
Institutsleiter Lothar Wieler am Donnerstag in Berlin. Dazu seien
Verordnungen, wirksame Strategien und konsequente Umsetzungen nötig.
«Die Lage in den Krankenhäusern spitzt sich teilweise dramatisch zu
und wird uns auch noch härter treffen als in der zweiten Welle. Wir
müssen jetzt handeln.»

Wieler riet allen Kliniken, ihren Regelbetrieb einzuschränken, um
Kapazitäten zur Behandlung von schwer kranken Patienten zu schonen.
Es gebe jetzt schon in einigen Städten und Ballungsgebieten auf den
Intensivstationen keine freien Betten mehr. «Und das ist eine
Situation, in der wir mit mehr Patienten rechnen müssen.» Stabile
Kranke sollten deshalb aus Regionen mit akutem Bettenmangel
rechtzeitig in weniger betroffene Regionen verlegt werden.

Wegen der Schwere der Erkrankungen würden auf den Intensivstationen
immer mehr künstliche Lungen benötigt, sagte der RKI-Präsident. Acht

von zehn Geräten seien mit Covid-Patienten belegt. Darunter seien
inzwischen auch viele jüngere Erwachsene.

Es gebe zwar Fortschritte beim Impfen, aber viele Menschen müssten
noch mehrere Monate oder länger auf ihre Impfung warten, auch Kinder.
Die meisten Neuerkrankungen gebe es nun bei den 15- bis 49-Jährigen.
Und: «Die Todeszahlen gehen nicht mehr zurück.» Auch nach dem
Überstehen der Krankheit sei das Leiden nicht immer vorbei,
berichtete Wieler. Einer von zehn Genesenen leide noch Wochen oder
Monate nach der Genesung an Langzeitfolgen.

Die Fallzahlen nähmen nicht zu, weil mehr getestet werde, betonte der
Wissenschaftler. Es gebe 12 Prozent positive PCR-Tests - aber nur die
Hälfte der Kapazität werde überhaupt ausgeschöpft.

Wieler verglich die aktuelle Pandemielage mit einem Bild: «Stellen
Sie sich vor, Sie fahren über enge Straßen in den Dolomiten. Es ist
kurvenreich und an einer Seite ist ein steiler Abhang. Jeder weiß, in
diese Kurve kann ich nur mit 30 fahren. Wenn ich hier mit einer
Geschwindigkeit von 100 reinfahre, dann ist das lebensgefährlich. Man
kommt nämlich von der Straße ab. Und ehrlich gesagt hilft dann auch
keine Notbremse mehr.»