Schüler kehren wieder im Wechselmodus in Klassen zurück

Überraschung in NRW: Trotz steigender Corona-Zahlen dürfen alle
Schüler abwechselnd wieder zurück in die Klassen kommen. Ab Montag
gilt Distanz-Präsenz-Wechselmodus. Die Schulministerin richtet einen
Appell an die Eltern.

Düsseldorf (dpa/lnw) - Die Schüler in Nordrhein-Westfalen sollen ab
nächsten Montag wieder wechselweise in die Klassenzimmer
zurückkommen. Es sei verantwortbar, zu einem Wechselmodell aus
Distanz- und Präsenzunterricht zurückzukehren, sagte Schulministerin
Yvonne Gebauer (FDP) am Mittwoch in Düsseldorf. Es werde ab der
kommenden Woche umgesetzt in den Kreisen und kreisfreien Städten, in
denen die Zahl der Corona-Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner binnen
einer Woche unter 200 Fällen liege.

In der laufenden Woche lernen die meisten der landesweit 2,5
Millionen Schüler wegen steigender Corona-Zahlen im Distanzunterricht
- mit Ausnahme der Abschlussklassen. Zudem ist derzeit Notbetreuung
für die Klassen eins bis sechs an Grund- und Förderschulen
vorgesehen. Von diesem Homeschooling-Modus kehrt NRW vom Prinzip her
wieder zu dem Modell zurück, das vor den Osterferien praktiziert
worden war.

Im Präsenzbetrieb gelte eine Pflicht zum Selbsttest für die Schüler -

zweimal pro Woche, betonte Gebauer. Das schaffe Sicherheit. Mit dem
Wechsel aus Distanz- und Präsenzunterricht gebe man Kindern und
Jugendlichen «ein Stück schulischer Normalität zurück». Das Model
l
solle «für eine längere Zeit» gelten und sei derzeit die «beste
Option». Schüler bräuchten Begegnung und soziale Kontakte, aber auch

pädagogische Betreuung.

Am Mittwoch lag die Zahl der Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner in
den vergangenen sieben Tagen (Inzidenz) laut Robert Koch-Institut in
NRW bei 148,4. In sechs Städten und Kreisen lag diese Kennziffer über
200. Nach der aktuellen «Woche der Vorsicht» werde man auch ab
nächstem Montag vorsichtig bleiben und zugleich «Gesundheitsschutz
und Bildungsauftrag in Einklang bringen», sagte Gebauer. Bei den
Abschlussjahrgängen bleibe es bei der aktuellen Regelung.

Deutlich appellierte Gebauer an die Eltern: «Lassen Sie Ihr Kind an
den Testungen in den Schulen teilnehmen!» Wenn Kinder oder
Jugendliche den Test verweigerten, könnten sie an dem Tag nicht am
Unterricht teilnehmen und hätten auch keinen Anspruch auf
zusätzlichen Distanzunterricht.

Nach früheren Angaben des Schulministeriums wollen sich 10 bis 20
Prozent der Schüler - 250 000 bis 500 000 Kinder und Jugendliche -
nicht selbst in der Schule testen. Auch von Eltern- und
Lehrerverbänden war Kritik an der Test-Handhabung gekommen. Gebauer
zufolge hat das RKI dringend davon abgeraten, die vielfach
geforderten Spucktestes in den Schulen einzusetzen.

Die Opposition in NRW hatte die Vermutung geäußert, dass die Schüler

nach den Osterferien zurück ins Homeschooling geschickt wurden, weil
nicht genügend Tests für die Schulen vorhanden gewesen seien. Die
Schulministerin hatte das zurückgewiesen. Auch für die kommende Woche
gebe es ausreichend viele Selbsttests. Nach anfänglichen
Lieferverzögerungen laufe es planmäßig. Auf die Frage, ob es sicher
sei, dass nächste Woche ausreichend Tests für alle Schülerinnen und
Schüler zur Verfügung stünden, sagte Gebauer am Mittwoch: «Laut
Auskunft des Logistikunternehmens (...) ist das sichergestellt.»

Auch das Schulpersonal muss getestet werden, betonte die Ministerin.
Die Impfung der Lehrer sei «in vollem Gang». Sie habe aber keine
Zahlen, wie viele Lehrkräfte der Grund- und Förderschulen bereits
immunisiert worden seien. Gebauer sprach sich dafür aus, auch
Lehrerinnen und Lehrer an weiterführenden Schulen beim Impfen
vorzuziehen, «weil wir natürlich auch darüber den Unterrichtsbetrieb

sicherer gestalten können».

Die Opposition kritisierte Gebauer, allerdings aus unterschiedlichen
Gründen. Die SPD begrüßte zwar, dass die Kinder und Jugendlichen ab
kommender Woche wieder zur Schule gehen könnten. Es sei aber falsch
gewesen, nach den Osterferien wieder in den Distanzunterricht
zurückzukehren, meinte der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende
im Landtag, Jochen Ott. Der wahre Grund dafür sei nicht das
Infektionsgeschehen gewesen, sondern mangelnde Vorbereitung für die
Testungen an den Schulen: «Wir hoffen daher sehr, dass die
Schulministerin die Lage in den Griff bekommen hat», so Ott.

Die bildungspolitische Sprecherin der Grünen, Sigrid Beer,
bezeichnete es dagegen als «verantwortungslos», die Schülerinnen und

Schüler in der kommenden Woche wieder in den Wechselunterricht zu
schicken. «Denn wir galoppieren in Richtung einer 200er Inzidenz»,
warnte sie.

Auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hält die
Entscheidung für nicht nachvollziehbar: Vergangene Woche sei Gebauer
noch auf Nummer sicher gegangen, jetzt gehe sie bei steigenden Zahlen
ins Risiko. Die Lehrergewerkschaft VBE kritisierte: «Einfach zu
sagen, dass die Erfahrungen mit den Testungen gut gewesen sind,
gleicht der Vortäuschung falscher Tatsachen.»