Noch 100 Tage und weiter Sorgen: IOC schließt Olympia-Absage aus Von Christian Hollmann, Andreas Schirmer und Takehiko Kambayashi, dpa

Unter dem Eindruck steigender Corona-Infektionszahlen brechen die
letzten 100 Tage vor der Eröffnung der Sommerspiele in Tokio an. Die
Organisatoren versprechen dennoch unermüdlich «sichere Spiele».

Tokio (dpa) - Inmitten neuer Corona-Sorgen haben die Olympia-Macher
von Tokio den 100-Tage-Countdown bis zur Eröffnung der Sommerspiele
gestartet. Im Nieselregen enthüllte eine kleine Delegation am
Mittwoch auf dem Takao-Berg die olympischen Ringe als Symbol für die
Zuversicht der Organisatoren. «Die Spiele werden eine Feier der
Widerstandsfähigkeit, der Solidarität und unserer gemeinsamen
Menschlichkeit», sagte Organisationschefin Seiko Hashimoto. Doch die
wieder steigenden Infektionszahlen auch im Großraum Tokio nähren die
Zweifel an der Austragung der Spiele.

Corona-Regierungsberater Shigeru Omi sprach im Parlament sogar von
einer «vierten Welle» bei den Neuinfektionen und mahnte verstärkte
Gegenmaßnahmen an. Ministerpräsident Yoshihide Suga indes will keine
«große nationale Welle» erkennen.

Tokios Gouverneurin Yuriko Koike versicherte am Mittwoch erneut, dass
die Gastgeber in den verbleibenden Wochen bis zum Start der Spiele
alles dafür tun wollen, «das Coronavirus zu bezwingen. Wir wären gern

in der Lage, die Spiele mit allen zu erleben», sagte Koike.

Zuvor hatte bereits IOC-Vizepräsident John Coates eine kurzfristige
Olympia-Absage ausgeschlossen. Die um ein Jahr verlegten Sommerspiele
«werden wie geplant stattfinden», sagte der Chef der
Koordinierungskommission des Internationalen Olympischen Komitees für
das Großereignis in Japan. Der Australier versprach: «Es werden die
sichersten Spiele, die möglich sind.» Die Spiele in Japans Hauptstadt
waren im Vorjahr wegen der Pandemie auf diesen Sommer verlegt worden
und sollen am 23. Juli eröffnet werden.

Die umfangreichen Maßnahmen gegen das Coronavirus werden Coates
zufolge «dafür sorgen, dass alle Teilnehmer und die japanische
Bevölkerung sicher sind». Der 70-Jährige sagte in einem vom
IOC verbreiteten Video: «Die Athleten, die olympische Bewegung, die
Organisatoren und das japanische Volk werden zeigen können, dass es
ein Sieg der Menschheit über die Pandemie ist.» Er sei «sehr
zuversichtlich», dass sich auch die Stimmung in Japan drehen werde.

Umfragen zufolge sprechen sich mehr als 70 Prozent der Japaner
derzeit für eine Absage oder erneute Verschiebung der Sommerspiele
aus. Wegen der Angst vor einer Ausbreitung des Virus bleibt
ausländischen Fans und Athletenfamilien sowie Gästen von Sponsoren
und Verbänden die Einreise nach Japan verwehrt.

Organisationschefin Hashimoto kündigte eine baldige Entscheidung
darüber an, ob und wie viele einheimische Zuschauer in den Arenen bei
Olympia und Paralympics zugelassen werden. «Alle Beschlüsse werden
insbesondere mit dem Ziel getroffen, ein sicheres Umfeld zu
garantieren, in dem die Athleten ihr Bestes geben können», sagte sie.

Die Vorsitzende des Bundestags-Sportausschusses, Dagmar Freitag,
kritisierte indes das Festhalten an den Olympia-Plänen. «Ich halte
das für schlichtweg verantwortungslos», sagte die SPD-Politikerin dem
Saarländischen Rundfunk.

DOSB-Präsident Hörmann betonte am Mittwoch mit Blick auf die Stimmung
in der deutschen Athletengemeinde: «Wir wollen alle unser Bestes
geben und erfolgreich sein - aber nicht um jeden Preis!» Japan sei
sich seiner besonderen Verantwortung bewusst, versicherte der Chef
des Deutschen Olympischen Sportbunds im TV-Sender Sky. Eine Reihe von
Sportevents habe zuletzt bewiesen, dass eine sichere Austragung
möglich sei.

Olympia und Paralympics könnten «wertvolle und wichtige Signale des
Aufbruchs sein, wenn man es professionell und sicher hinbekommt»,
sagte der 60-Jährige. «Die Vorbereitungen sind gelaufen, das Geld ist
investiert, es wäre ewig schade, dieses Weltsportfest nun nicht
umzusetzen», fügte Hörmann hinzu.

Tokio meldete am Mittwoch einen Anstieg der Corona-Neuinfektionen auf
591. Noch bedenklicher ist die Lage in der Präfektur Osaka, die den
Höchstwert von 1099 Infektionen zählte. Das Impftempo in Japan ist
weiter schleppend. Nur 0,4 Prozent der japanischen Bevölkerung sind
nach Angaben des Gesundheitsministeriums bislang vollständig geimpft.