Ankläger wollen wegen Pflegebetrugs hohe Haftstrafe für Ehepaar Von Ulf Vogler, dpa

Immer mehr Menschen brauchen im Alter Pflege. Das Geschäftsfeld der
Pflegedienstleistungen haben auch Betrüger für sich entdeckt. In
Bayern soll es deswegen nun eine Reihe von Prozessen geben.

Augsburg (dpa) - In einem Prozess wegen Betrugs mit Pflegeleistungen
in Millionenhöhe drohen einem Ehepaar langjährige Gefängnisstrafen.
Die Eheleute sowie drei weitere Angeklagte müssen sich wegen der
Vorwürfe seit Mittwoch vor dem Augsburger Landgericht verantworten.
Sie sollen Pflegekassen und Sozialhilfeträger mehr als sieben Jahre
lang mit unzulässig abgerechneten Pflegedienstleistungen systematisch
geprellt haben, der Schaden beträgt nach Angaben der Ermittler fast
3,3 Millionen Euro.

Wie zu Beginn der Verhandlung bekannt wurde, gab es vor wenigen
Wochen eine Vorbesprechung der Prozessbeteiligten. Demnach sieht die
Staatsanwaltschaft für die 43 Jahre alte Hauptangeklagte eine acht-
bis neunjährige Haftstrafe als gerechtfertigt an. Der Ehemann der
Frau soll nach Vorstellung der Ankläger nur geringfügig kürzer in
Haft.

Die 43-Jährige stand bereits früher als Geschäftsführerin eines
anderen Pflegedienstes im Zentrum eines Strafverfahrens. Deswegen
soll sie für den Anfang 2012 gestarteten neuen Anbieter einen in
Spanien lebenden Studenten als Strohmann an der Spitze des neuen
Betriebes installiert haben. Faktisch sei die Frau jedoch Chefin
gewesen, heißt es in der Anklage.

Die Ermittler werfen den fünf Beschuldigten vor, dass sie ambulante
Pflegeleistungen abgerechnet haben, die gar nicht oder nicht in
vollem Umfang erbracht wurden. Das Ehepaar sitzt in
Untersuchungshaft, bei zwei weiteren Angeklagten wurden Haftbefehle
außer Vollzug gesetzt. Die fünf Angeklagten, insgesamt drei Frauen
und zwei Männer, werden sich nach Angaben der Verteidiger zu einem
späteren Zeitpunkt in der Verhandlung zu den Vorwürfen äußern.

Die Staatsanwaltschaft München I hatte mehrere ähnliche Verfahren
geführt und nach aufwendigen Ermittlungen Anfang 2021 Verantwortliche
von drei Pflegediensten aus München und Augsburg angeklagt. In
Augsburg liegt in einem weiteren Fall eine Anklage vor sowie eine
beim Landgericht München I. In diesen beiden Fällen geht es ebenso um
unzulässigerweise abgerechnete Pflegeleistungen im Millionenbereich.
Die Strafkammern haben in diesen Fällen aber noch keine Termine für
die Prozesse festgelegt.

In dem bereits verhandelten Fall geht es darum, dass bereits die
Begutachtung von Patienten durch den Medizinischen Dienst der
Krankenversicherung (MDK) von den Beschuldigten manipuliert worden
sein soll. Der MDK stellt bei einem Hausbesuch üblicherweise die
Pflegestufe eines Betroffenen fest, die Kassen erstellen dann einen
entsprechenden Bescheid.

Laut Anklage hatten die Angeklagten Angehörige der Patienten
gebrieft, was diese den MDK-Gutachtern sagen sollen. In einem Fall
soll einer Frau sogar ein starkes Beruhigungsmittel verabreicht
worden sein, um diese während der Prüfung durch den MDK
ruhigzustellen.

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft hatten auch einige der
angeblichen Pflegefälle bei dem mutmaßlichen Betrug mitgemacht. So
soll der Pflegedienst einen Mann täglich mit Semmeln und der
Tageszeitung beliefert haben, zudem habe er monatlich ein Kuvert mit
Bargeld erhalten.

Neben den bereits angeklagten Pflegedienstmitarbeitern drohen daher
auch etlichen Patienten und auch Ärzten strafrechtliche Folgen. Wie
die Staatsanwaltschaft bei der Erhebung der drei Anklagen berichtete,
gibt es in den verschiedenen Ermittlungskomplexen insgesamt noch
laufende Verfahren gegen rund 100 weitere Beschuldigte.