Zweitimpfung nach Astra mit anderem Präparat - Debatte über Impftempo

Für Astrazeneca-Erstgeimpfte gibt es nun Klarheit für die zweite
Impfung. Diskutiert wird daneben weiter über mögliche Rückschläge f
ür
das Impftempo in Deutschland, etwa durch den Impfstopp für Johnson
& Johnson in den USA.

Berlin (dpa) - Unter 60-Jährige, die bereits einmal mit Astrazeneca
geimpft wurden, sollen für ihre Zweitimpfung in der Regel die
Präparate von Biontech oder Moderna erhalten. Auf diese Empfehlung
haben sich die Gesundheitsminister der Länder einstimmig geeinigt und
folgen damit dem Vorschlag der Ständigen Impfkommission (Stiko) von
Anfang April. Im Einzelfall soll aber auch eine Zweitimpfung mit
Astrazeneca möglich sein.

Diskutiert wird unterdessen darüber, welche Folgen der Impfstopp mit
dem Präparat von Johnson & Johnson in den USA und die Verzögerungen

des Marktstartes mit dem Vakzin für das Impftempo in Deutschland
haben könnten. Zudem kommt Kritik von den Kassenärzten an der
Verteilung der Impfstoffe zwischen Impfzentren und Arztpraxen. Sie
warnen davor, dass dadurch die Impfkampagne «massiv ins Stocken
geraten» könnte.

Für die mehr als zwei Millionen Menschen unter 60, die laut
Gesundheitsministerium eine Erstimpfung mit Astrazeneca erhalten
haben, gibt es nun Klarheit: «Zwölf Wochen nach der Erstimpfung
erfolgt die Zweitimpfung mit einem mRNA-Impfstoff (BioNTech oder
Moderna)». Wie es weiter im gemeinsamen Beschluss der
Gesundheitsminister von Bund und Ländern heißt, können aber
«übergangsweise» auch schon ab der neunten Woche nach der ersten
Impfung Zweitimpfungen stattfinden, wenn bereits entsprechend frühere
Termine vereinbart sind. Wer möchte, kann «im Einzelfall» nach
Rücksprache mit dem Arzt auch seine Zweitimpfung mit Astrazeneca
bekommen.

Hintergrund der Empfehlung sind Fälle von Hirnvenen-Thrombosen nach
einer Impfung mit Astrazeneca. Experten vermuten, dass das sehr
geringe Risiko vor allem jüngere Menschen betrifft. Johnson & Johnson
hatte am Dienstag wegen Berichten über solche Thrombosen nach der
Impfung den Marktstart seines Präparats in Europa aufgeschoben. Die
Behörden in den USA hatten zuvor ein vorübergehendes Aussetzen der
Impfungen empfohlen, nachdem im Land sechs Fälle erfasst worden
waren. In der EU ist der Impfstoff von Johnson & Johnson am 11. März
zugelassen worden.

SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sagte am Mittwoch im
Deutschlandfunk: «Ich glaube nicht, dass es ein permanenter
Rückschlag ist, die Sinusvenenthrombosen waren auch bei Johnson &
Johnson zu erwarten.» Die Komplikationen seien so rar, «dass der
Impfstoff nach einiger Zeit wieder verimpft wird, in den Vereinigten
Staaten, und der Impfstart in Europa dann auch beginnen wird», sagte
Lauterbach. «Man wird wahrscheinlich auch hier wieder darüber
nachdenken müssen, ob man den Impfstoff bei den über 60-Jährigen
spezifisch einsetzt.»

Deutschland erwartet nach den bisherigen Lieferzusagen für das zweite
Quartal rund 10 Millionen Dosen des Präparats - im gesamten Jahr
knapp 37 Millionen Dosen. Von Astrazeneca, das nur noch für Menschen
über 60 empfohlen wird, werden im gesamten Jahr 56 Millionen Dosen
erwartet. Laut Statistischem Bundesamt gibt es in Deutschland gut
23,7 Millionen Menschen über 60. Das sind rund 28,5 Prozent der
Bevölkerung.

Der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie,
Carsten Watzl, warnte vor dem Hintergrund der Entwicklung bei Johnson
& Johnson vor einem drohenden Problem für die deutsche Impfkampagne
und forderte von der Bundesregierung schnelle Nachbestellungen von
mRNA-Impfstoffen im nationalen Alleingang. Die Bundesregierung müsse
jetzt reagieren und sowohl mit Biontech als auch mit Curevac in neue
Verhandlungen treten und mehr Impfdosen für Deutschland sichern,
sagte er der «Augsburger Allgemeinen» (Mittwoch).

Von den Kassenärzten kam am Mittwoch Kritik an der Verteilung der
Impfstoffe zwischen Impfzentren und Arztpraxen. Den Praxen würden in
den kommenden Wochen viel weniger Biontech-Dosen zugewiesen als
versprochen, weil der Impfstoff offensichtlich vorrangig an die
Impfzentren gehe, sagte der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen
Bundesvereinigung, Andreas Gassen, der «Neuen Osnabrücker Zeitung».
«Die Zuteilung für die Hausärzte wurde halbiert. Daher wächst bei d
en
niedergelassenen Ärzten die Sorge, dass sie in den kommenden Wochen
eher weniger als mehr am Impfgeschehen teilhaben können.»

Das Bundesgesundheitsministerium wies die Kritik zurück. «Anders als
von manchem behauptet, werden die Impfstoff-Lieferungen an die
Arztpraxen nicht halbiert», teilte ein Sprecher mit. Die
Impfstoffmenge steigere sich vielmehr stetig. «Außerdem war immer
klar, dass nach zwei Wochen die Praxen Impfstoffe unterschiedlicher
Hersteller bekommen.»

Einer Übersicht des Ministeriums vom Montag zufolge gehen in der
laufenden Woche rund eine Million Biontech-Dosen an die Arztpraxen,
in der kommenden Woche sollen es rund 462 000 Dosen Biontech und gut
554 000 Dosen Astrazeneca sein, in der letzten Aprilwoche dann 1,16
Million Dosen Biontech und 343 000 Dosen Astrazeneca. Daten für Mai
liegen bisher öffentlich nicht vor.

Gassen warnte mit Blick auf den Ausgleich für die Biontech-Kürzungen
in der kommenden Woche durch Astrazeneca: «Das wird so nicht
aufgehen.» Wenn die Impfzentren komplett den vergleichsweise
unproblematischen Impfstoff erhielten, die Praxen aber den
umstrittenen, werde die Impfkampagne «massiv ins Stocken geraten».