Verfassungsschutz beobachtet Teile der Corona-Protestbewegung

Sind die Demonstranten gegen die Corona-Einschränkungen Extremisten,
Verrückte oder ganze normale Menschen, die ihr Recht auf Protest
wahrnehmen? Diese Frage beschäftigte nicht nur Beobachter und Medien,
sondern auch die staatlichen Stellen.

Berlin (dpa/bb) - Kleinere Teile der Corona-Protestbewegung in der
Hauptstadt werden vom Berliner Verfassungsschutz beobachtet. Das
sagte Innensenator Andreas Geisel (SPD) am Mittwoch im zuständigen
Ausschuss des Abgeordnetenhauses. Diese problematischen Teile sind
jetzt vom Verfassungsschutz als sogenannter Verdachtsfall eingestuft,
wie Sicherheitskreise bestätigten. Das bedeutet, dass
geheimdienstliche Mittel wie das Anwerben von Informanten eingesetzt
werden dürfen, wenn dabei die Verhältnismäßigkeit gewahrt wird.

Die ARD hatte darüber berichtet. In mehreren Bundesländern werden
«Querdenken»-Gruppierungen vom Verfassungsschutz beobachtet, darunter
in Baden-Württemberg und Bayern.

Geisel betonte, die Mehrheit der Demonstranten gegen die
Corona-Beschränkungen sei friedlich und stehe zur Demokratie. Mit
diesen Menschen müsse man weiter im Dialog stehen. Protest sei völlig
legitim. «Das gehört zur Demokratie dazu.» Man müsse bei dem Thema

sorgfältig differenzieren.

Unter den Demonstranten gebe es aber zwei weitere kleinere Gruppen,
die verfassungsfeindlich seien, sagte Geisel. Das seien zum einen
Rechtsextremisten und Reichsbürger, die die Proteste vereinnahmen
wollten und teilweise auch ihr Erscheinungsbild beeinflussten. Und
zum anderen Fanatiker, die gewaltbereit gegen Demokratie und
freiheitliche Grundordnung kämpfen würden. «Diese Gruppen werden wir

von Seiten des Verfassungsschutzes in Beobachtung nehmen, in
Augenschein nehmen müssen. Mit denen werden wir uns befassen müssen,
weil wir eine wehrhafte Demokratie sein müssen.»

Diese Fanatiker seien eine «Empörungsbewegung», die nicht in die
üblichen Kategorien linksextremistisch, rechtsextremistisch und
islamistisch eingeordnet werden könne, sagte Geisel. «Es ist eine
heterogene Bewegung mit verschiedenen Akteuren, die ein gemeinsames
Ziel eint, nämlich die Demokratie und ihre Institutionen zu
delegitimieren und zu destabilisieren. Und ein solches Ziel steht im
Widerspruch zu unserer Verfassung.»

Dieser Gruppe gehe es um eine permanente Diffamierung der
Bundesrepublik, ihrer Institutionen und Repräsentanten, so Geisel.
«Darüber hinaus agiert dieses Spektrum bewusst mit
Falschinformationen und Verschwörungserzählungen.» Formuliert würde
n
auch Gewaltfantasien, Tötungsabsichten und die Bereitschaft zum
bewaffneten Untergrundkampf. Eine wichtige Rolle spielten dabei
sogenannte alternative Medien, die zum Teil von anderen Staaten
betrieben oder finanziert würden.

Bei den Protesten seit dem Frühjahr 2020 habe eine Entwicklung in
vier Phasen von der Empörung über Artikulation, Instrumentalisierung
bis zur Radikalisierung stattgefunden, sagte Geisel. Corona sei dabei
nicht die Ursache für diese Art der Proteste, sondern lediglich
Auslöser. Das entsprechende Milieu habe es schon zuvor gegeben.
Höhepunkt der Radikalisierung seien die Aktionen vor und im Bundestag
im November gewesen, als Demonstranten auf die Treppe zum
Reichstagsgebäude liefen und andere als Besucher im Bundestag
Abgeordneten bedrängten.