Bundes-Notbremse mit Bremsspur Von Basil Wegener, Martina Herzog und Jörg Blank, dpa

Nach langen Diskussionen ist es vollbracht - im Kampf gegen die
dritte Corona-Welle soll Schluss sein mit dem föderalen
Flickenteppich. Doch kommt die Bundes-Notbremse rechtzeitig?

Berlin (dpa) - Eigentlich hat Angela Merkel schon alles zur
Notwendigkeit der gerade in ihrem Kabinett beschlossenen
Bundes-Corona-Notbremse gesagt. Da wird sie noch gefragt, ob es auch
schnell genug gehe mit den bundesweit verpflichtenden
Einschränkungen. «Ich kann aus meiner Perspektive nur sagen, dass je
schneller es geht, umso besser das natürlich ist», meint sie da noch.
Die eigenwillige Grammatik dieser Hoffnungsbekundung erinnert ein
wenig an Meister Yoda aus «Star Wars» - ob ihr Wort Gehör findet,
darf in diesem Moment am Dienstag im Kanzleramt aber bereits
bezweifelt werden.

Dabei wird der Ruf von Ärzten und Epidemiologen nach einem
effektiveren Durchgreifen gegen die Pandemie und besonders die
Ausbreitung von Virusmutanten schon seit Wochen lauter. «Wir müssen
mit den Corona-Infektionszahlen weiter deutlich nach unten.
Andernfalls droht uns eine neue dritte Pandemiewelle, die unser
Gesundheitssystem überfordern könnte», sagte die Vorsitzende des
Bundesverbands der deutschen Amtsärzte, Ute Teichert, schon am 9.
Februar.

Sechs Wochen, unzählige Bund-Länder-Diskussionen und eine
Entschuldigung der Kanzlerin über verpatzte Osterruhetage später
schlug Merkel Ende März andere Töne an. Einige Länder ließen es an

geeigneten Maßnahmen fehlen - wenn das nicht «in sehr absehbarer
Zeit» anders werde, müsse sie sich bundeseinheitliche Regelungen
überlegen, sagte die Kanzlerin am 28. März in einer Talkshow.

Acht weitere Tage vergingen, bis CDU-Chef Armin Laschet auf den
Verschärfungskurs einschwenkte und an Ostermontag einen
«Brücken-Lockdown» vorschlug. Die Lage erfordere es, «dass wir noch

mal in vielen Bereichen nachlegen und uns Richtung Lockdown bewegen».
Doch das Gezänk und die unterschiedlichen Positionen zwischen Bund
und Ländern und zwischen SPD- und Unions-Ministerpräsidenten ging
erst einmal weiter, während der Anstieg der Infektionszahlen wegen
der Osterferien auch erstmal weniger dramatisch aussah. Eine
Hauptfrage war über Tage: Wann sollte eine geplante
Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) stattfinden?

Vier weitere Tage später kam am vergangenen Freitag die Wende. Die
MPK wurde abgesagt, stattdessen sollte nun eilig das
Infektionsschutzgesetz nachgeschärft werden. Nach vier weiteren Tagen
- die 7-Tages-Inzidenz hatte inzwischen den höchsten Wert seit 15.
Januar erreicht - beschloss das Bundeskabinett nun die
Bundes-Notbremse, die weite Teile Deutschlands demnächst treffen
dürfte.

Darin vorgesehen: Abendliche Ausgangsbeschränkungen ab einer
7-Tages-Inzidenz von 100, Zusammenkünfte nur mit zwei Hausständen,
geschlossene Läden, Restaurants, Kinos. Präsenzunterricht soll nur
mit Tests zweimal die Woche möglich sein - und ab 200 Neuinfektionen
pro Kreis und 100 000 Einwohnern in sieben Tagen dann gar nicht mehr.
Und das alles ohne langes Diskutieren, ohne Öffnungsexperimente und
ohne Ausnahmen - so der Plan. Doch reicht das? Und wann tritt es nun
in Kraft?

Eines zeichnet sich am Dienstag deutlich ab: So schnell, wie es mit
einer Verkürzung von Beratungszeiten möglich wäre, kommt die
Bundes-Notbremse nicht. Opposition und Regierungsfraktionen scheinen
sich im Bundestag weitgehend einig, dass sie ausführlich beraten
wollen. Den Parlamentsbeschluss soll es in einer Woche, am Mittwoch,
geben. Der Bundesrat könnte dann allerdings auf die Tube drücken und
am Tag drauf Ja sagen - oder die Länder rufen den
Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat für
Nachverhandlungen an, was auch noch einmal dauern würde.

In Kraft treten sollen die neuen Regeln dann einen Tag nach der
Unterzeichnung durch den Bundespräsidenten. Es dürften allerdings
fünf weitere Tage vergehen, bis die bundesweite Notbremse in
Landkreisen oder kreisfreien Städten zum ersten Mal greift. Denn
Voraussetzung ist, dass dort an drei aufeinander folgenden Tage eine
7-Tage-Inzidenz von mindestens 100 gemeldet wird. «Ab dem
übernächsten Tag», also wiederum zwei Tage später, sollen dann die

bundeseinheitlich geregelten Verschärfungen dort wirksam werden.
Kurzum: Die Wirkung der Bundesbremse dürfte Ende April eintreten.

Vor eben diesem Szenario hat die Intensivmediziner-Vereinigung Divi
just vor dem Kabinettsbeschluss gewarnt. «Wir müssen davon ausgehen,
dass wir deutschlandweit jetzt jeden Tag zwischen 50 und 100 neue
Covid-Intensivpatienten aufnehmen müssen», sagte DIVI-Präsident
Gernot Marx in einem Interview. Wenn das Gesetz erst Ende April
beschlossen werde, werde die Patientenzahl auf 7000 steigen. «Wir
reden über sehr viele schwere Erkrankungen und über viele Menschen,
die das nicht überleben werden.»