Kritik an bundesweiten Corona-Regeln aus Sachsen-Anhalt

Widerwillig kündigt die Landesregierung an, die vom Bund
angekündigten Corona-Regeln umzusetzen. Es bleibt ihr auch nicht viel
anderes übrig, denn im Bundesrat ist der Einfluss der Länder in der
Frage begrenzt. Die Opposition wirft der Koalition Versagen vor.

Magdeburg (dpa/sa) - Sachsen-Anhalts Landesregierung hat die vom Bund
angekündigten, bundesweit einheitlichen Corona-Regeln kritisiert.
«Wir hätten uns das anders gewünscht», sagte Ministerpräsident Re
iner
Haseloff (CDU) nach einer Kabinettssitzung am Dienstag. «Wir nehmen
das so zur Kenntnis und werden es bündnistreu natürlich auch
umsetzen.» Die derzeitige Landesverordnung soll zunächst um drei
Wochen verlängert werden, bevor die bundesweiten Regeln sie dann
ablösen. In der neuen Verordnung wird voraussichtlich die bereits
geltende Testpflicht an Schulen enthalten sein. Außerdem sollen
vorerst keine weiteren Modellprojekte genehmigt werden.

Die Bundesregierung hatte sich zuvor auf einen Entwurf für das neue
Infektionsschutzgesetz geeinigt, der strengere Regeln bereits ab
einer Sieben-Tage-Inzidenz von 100 vorsieht. Dann sollen etwa
bestimmte Geschäfte schließen und eine Ausgangsbeschränkung in Kraft

treten, die den Aufenthalt außerhalb der Wohnung zwischen 21.00 Uhr
und 5.00 Uhr grundsätzlich verbietet. Ab einem Wert von 200 soll
außerdem Präsenzunterricht an Schulen verboten werden.

«Über 100 geht vieles nicht und vieles nicht mehr», fasste Haseloff
den Entwurf zusammen. Am Dienstag lagen laut Robert-Koch-Institut
(RKI) nur noch 2 der 14 Landkreise und kreisfreien Städte des Landes
im zweistelligen Bereich. Der Regierungschef wiederholte unter
anderem seine Kritik, dass Ausgangsbegrenzungen im ländlichen Raum
kaum Wirkung hätten. Gesundheitsministerin Petra Grimm-Benne (SPD)
bedauerte außerdem, dass auch Zoos und Botanische Gärten, die
Sachsen-Anhalt bislang anders als andere Bundesländer weitestgehend
offen gehalten hatte, sowie Baumärkte ab einer Inzidenz von 100
geschlossen werden sollen.

Der Gesetzentwurf soll nun den Bundestag passieren und dann
voraussichtlich am Donnerstag auch im Bundesrat behandelt werden.
Anders als der Bundestag muss die Länderkammer dem Gesetz jedoch
nicht zustimmen. Da es sich um ein sogenannten Einspruchsgesetz
handelt, kann der Bundesrat höchstens Einspruch erheben, der dann
aber vom Bundestag überstimmt werden kann. Das sehe er «höchst
kritisch», sagte Haseloff, der derzeit Präsident des Bundesrates ist.

Unterstützung bekam er von den CDU-Abgeordneten Sachsen-Anhalts im
Bundestag. «Maßnahmen der Pandemiebekämpfung sollten weiterhin
differenziert anhand der Gegebenheiten vor Ort getroffen werden»,
teilte die CDU-Bundestagsabgeordnete Heike Brehmer mit. Auch
CDU-Landeschef Sven Schulze kritisierte den Durchgriff Berlins.

Die oppositionelle Linke warf Haseloff vor, die Interessen des Landes
nicht gegen die Bundesregierung verteidigt zu haben. «Die Pandemie
muss vor Ort bekämpft werden», forderte Fraktionschefin Eva von
Angern. «Die Bundesregierung löst nun ohne Kontrolle der Parlamente
die rechtlichen Möglichkeiten der Kommunen im Umgang mit dem
Pandemiegeschehen auf», kritisierte sie. «Hier hätte Haseloff als
Parteifreund der Kanzlerin das Grundgesetz besser schützen müssen.
Wir müssen hier feststellen: Er hat versagt.»

Die FDP rief die Sachsen-anhaltischen Bundestagsabgeordneten auf, dem
Gesetz nicht zuzustimmen. «Wer nur auf Lockdown setzt, braucht
hinterher auch nicht öffnen, da es nichts mehr zu öffnen gibt», sagte

die FDP-Spitzenkandidatin zur Landtagswahl, Lydia Hüskens. «Wenn im
Bundestag die Abgeordneten Sachsen-Anhalts für die Abgabe der
Entscheidungsbefugnis an den Bund stimmen, setzte dies der
gescheiterten Politik noch die Krone auf.»