Landtagssondersitzung zur dritten Coronawelle

Ministerpräsident Laschet kämpft an zwei Fronten: In NRW ist er
verantwortlich für das Corona-Krisenmanagement - im Bund kämpft er
für seine Kanzlerkandidatur. Jetzt soll er im Landtag Rechenschaft
ablegen - wohl auch zu seiner Doppelrolle.

Düsseldorf (dpa/lnw) - Der nordrhein-westfälische Landtag will am
Donnerstag in einer Sondersitzung beraten, wie die dritte
Corona-Infektionswelle gebrochen werden soll. SPD und Grüne, die die
Sitzung am Dienstag beantragt haben, werfen der schwarz-gelben
Landesregierung einen «Zickzack-Kurs» und Konzeptlosigkeit in der
Pandemiebekämpfung vor.

Die SPD erwarte von Ministerpräsident Armin Laschet (CDU), «dass er
sich in dieser Landtagssitzung auch stellt und seine
Kanzler-Ambitionen zumindest für diesen einen Tag mal etwas
zurückstellt», sagte SPD-Fraktionschef Thomas Kutschaty am Dienstag
in Düsseldorf. «Ich bin gespannt, ob er sich Zeit nehmen kann, am
Donnerstag zur Sondersitzung des Landtags zu kommen oder ob er mit
anderen Landesverbänden noch um die Mehrheit für die
Kanzlerkandidatur ringen muss». Das Amt des Regierungschefs im
bevölkerungsreichsten Bundesland könne nicht persönlichen
Karriereplanungen untergeordnete werden, mahnte Kutschaty.

Die SPD fordert von der Landesregierung, sich um mögliche Lieferungen
des russischen Corona-Impfstoffs Sputnik V zu kümmern. «Ich habe
überhaupt kein Verständnis, dass der Ministerpräsident so
zurückhaltend ist bei der Organisation zusätzlichen Impfstoffs»,
kritisierte Kutschaty. Bayern und Mecklenburg-Vorpommern hätten
dagegen schon Vorverträge geschlossen. Bis es eine Zulassung der
Europäischen Arzneimittelagentur für Sputnik V gebe, müssten
entsprechende Vorverträge «schon längst unter Dach und Fach sein».

Bislang gibt es nach Angaben des Gesundheitsministeriums «keine
derartigen Pläne in Nordrhein-Westfalen».

Darüber hinaus fehle in NRW derzeit noch jede Vorbereitung, wie auch
Kinder möglichst bald in die Impf-Kampagnen eingebunden werden
könnten, sagte Kutschaty. Das Pharma-Unternehmen Biontech habe in den
USA mittlerweile schon einen Impfstoff für Kinder ab zwölf Jahren.
«Auch hier muss Nordrhein-Westfalen, muss Deutschland handeln.»

Dass es in NRW bislang nicht einmal genügend Tests für Kitas und
Schulen gebe, sei «ein handfester Skandal», so Kutschaty. In einer
aktuellen Vorlage an den Landtag habe der für die Beschaffung in NRW
zuständige Innenminister Herbert Reul (CDU) selbst eingeräumt, dass
der komplette Bedarf «voraussichtlich erst ab der 18. Kalenderwoche
gedeckt werden» könne, zitierte Kutschaty aus der Vorlage. Reul ist
demnach zuständig für die Beschaffung von Selbstschnelltests für die

Landesverwaltung und die Schulen.

Dass der Zeitraum bis zur zweiten Mai-Woche durch eine
«Dringlichkeitsvergabe abgesichert» werden könnte, wie im Bericht
angeführt, kommt nach Berechnungen der SPD nicht hin. Laut Vorlage
werden rund 6,2 Millionen Selbsttests pro Woche allein für die
Bereiche Schule und Verwaltung benötigt, die an rund 6200 Adressen
auszuliefern sind. Die Grünen sehen keine Voraussetzungen, wieder in
den Wechselunterricht zurückzukehren.

Kutschaty warf der Landesregierung vor, die Bund-Länder-Beschlüsse
vom März nicht konsequent umgesetzt zu haben und auch jetzt wieder zu
versuchen, die Regelungen zur «Bundes-Notbremse» aufzuweichen. In
einer Stellungnahme der Düsseldorfer Staatskanzlei dazu sei am
Wochenende moniert worden, die geplante Infektionsschutz-Novelle
wirke sich nachteilig auf die Test-Bereitschaft der Bevölkerung aus,
wenn Schnelltests keinen Zugang mehr zu bestimmten Einrichtungen
erlaubten. In der Stellungnahme, die der Deutschen Presse-Agentur in
Düsseldorf vorliegt, pocht die Staatskanzlei zudem darauf, dass «aus
Gründen des Vertrauensschutzes» an den bereits genehmigten
Modellprojekten zu kontrollierten Öffnungen in Teilbereichen
festgehalten werden dürfe.

Die am Dienstag vom Bundeskabinett beschlossene Ergänzung zum
Infektionsschutzgesetz sieht einen harten Lockdown mit
Ausgangsbeschränkungen vor, wenn die Neuansteckungsraten über mehrere
Tage hoch sind. Die in NRW derzeit noch erlaubte Option, sich vor
Einkäufen im Laden frei zu testen, wäre dadurch nicht mehr gedeckt.

Die Grünen warnten, bis das Bundesgesetz in Kraft trete, könnten noch
zwei Wochen vergehen. «Armin Laschet muss aber jetzt in
Nordrhein-Westfalen handeln und die Not-Bremse ohne die Option des
Testens und des Shoppings per Click and Meet landesweit ziehen»,
forderte Grünen-Fraktionschefin Verena Schäffer. Solange das
Bundesinfektionsschutzgesetz nicht verabschiedet sei, dürften die
Modellprojekte nicht an den Start gehen, sondern müssten pausieren
bis die Neuinfektionsraten auf einem niedrigeren Stand seien.