Corona-Impfstoff: Johnson & Johnson verschiebt Europa-Start

Ein neuer Rückschlag bei den Impfungen gegen Corona droht. Wie beim
Impfstoff von Astrazeneca wurden auch beim Vakzin von Johnson &
Johnson spezielle Thrombosen erfasst. Die USA stoppen die Verwendung
vorübergehend. Was macht Europa?

New Brunswick (dpa) - Der US-Pharmakonzern Johnson & Johnson
verzögert den Marktstart seines Impfstoffs in Europa. Das teilte der
Konzern am Dienstag mit - nur einen Tag nachdem mit der Auslieferung
begonnen worden war. Man habe Berichte über Sinusvenenthrombosen
erhalten und sich für die Verzögerung entschieden, hieß es. Der
Konzern arbeite nun mit Experten und den Gesundheitsbehörden an der
Untersuchung der Fälle. Am Dienstagabend (Ortszeit) teilte der
Konzern zudem mit, dass auch alle derzeit laufenden Studien mit
Impfungen mit dem Wirkstoff vorübergehend ausgesetzt würden.

Die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) hatte bereits eine
Untersuchung einiger Fälle von Thrombosen nach einer Impfung mit dem
Wirkstoff von Johnson & Johnson eingeleitet. Ein Zusammenhang
zwischen den sehr seltenen Fällen und der Impfung konnte noch nicht
festgestellt werden, teilte die EMA am Dienstag in Amsterdam auf
dpa-Anfrage mit. Die Untersuchung sei noch nicht abgeschlossen.

Bisher waren der Behörde vier Fälle mitgeteilt worden. Drei davon
waren in den USA aufgetreten, einer davon verlief tödlich. Der vierte
Fall betraf eine Person bei einem klinischen Test. Vom für
Deutschland zuständigen Paul-Ehrlich-Institut gab es zunächst keine
Einschätzung der neuen Situation. Informationen würden so bald wie
möglich zur Verfügung gestellt, hieß es am Dienstag.

Zuvor hatten die Behörden in den USA eine vorübergehende Aussetzung
der Impfungen mit dem Wirkstoff von Johnson & Johnson empfohlen,
nachdem bei sechs Menschen im Land nach der Impfung
Sinusvenenthrombosen diagnostiziert worden waren. Die vorübergehende
Aussetzung sei aus einem «Übermaß an Vorsicht» empfohlen worden u
nd
werde voraussichtlich nur einige Tage aufrechterhalten, teilten die
Gesundheitsbehörde CDC und die Arzneimittelbehörde FDA am Dienstag

bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit.

In der EU war der Impfstoff von Johnson & Johnson am 11. März
zugelassen worden. Am Montag hatte Johnson & Johnson mit der
Lieferung in die EU-Staaten begonnen. Die Brüsseler Behörde erwartet
bis Ende Juni 55 Millionen Dosen des Impfstoffs. Gut 10 Millionen
Dosen sollen nach Deutschland gehen.

Erst im März hatte Deutschland Impfungen mit dem Produkt des
Herstellers Astrazeneca vorübergehend ausgesetzt, nachdem das
Paul-Ehrlich-Institut ein entsprechendes Vorgehen empfohlen hatte.
Auch andere europäische Länder stoppten die Impfungen zeitweise.
Hintergrund war ebenfalls eine auffällige Häufung von
Sinusvenenthrombosen in Verbindung mit einem Mangel an Blutplättchen
(Thrombozytopenie) nach Impfungen mit dem Präparat. Inzwischen wird
der Einsatz von Astrazeneca hierzulande nur bei Menschen ab 60 Jahren
empfohlen.

Wieso es bei einigen Geimpften zu der schweren Nebenwirkung kommt,
ist bislang unklar. Der Greifswalder Forscher Andreas Greinacher
macht das Auftreten bestimmter Antikörper für die Thrombosen
verantwortlich. Es sei denkbar, dass die Betroffenen etwas in ihrem
Körper hätten, was sie dafür anfällig mache, diese speziellen
Antikörper zu produzieren. Was das sei, sei noch unklar, erklärte er
kürzlich.

Die Impfstoffe von Johnson & Johnson und von Astrazeneca sind
sogenannte vektorbasierte Impfstoffe. Sie nutzen ein harmloses Virus,
um Erbinformationen des Coronavirus in den Körper zu schleusen. Mit
Hilfe dieser Informationen wird im Körper des Geimpften ein
Viruseiweiß gebildet, genauer gesagt das Spike-Protein auf der
Oberfläche des Coronavirus.

Carsten Watzl, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für
Immunologie, hatte kürzlich auf Twitter die Vermutung geäußert, dass

die Adenoviren, die in beiden Impfstoffen eingesetzt werden, die
Nebenwirkungen verursachen.

In den USA sagte die amtierende FDA-Chefin Janet Woodcock am
Dienstag, die Fälle müssten nun erst einmal «komplett verstanden»
 und
die Mitarbeiter des Gesundheitssystems entsprechend informiert
werden. «Wir erwarten, dass diese Pause einige Tage dauern wird.» Man
sei dabei auch in «ständigem Austausch» mit den zuständigen Behör
den
in Europa und weltweit. Für Mittwoch wurde eine Notfallsitzung eines
Beratergremiums der CDC angesetzt.

Zahlreiche Bundesstaaten sowie unter anderem Apotheken-Ketten
kündigten an, der Empfehlung von CDC und FDA folgen zu wollen.
Bereits ausgemachte Impftermine sollen verschoben oder wenn möglich
mit den beiden anderen derzeit im Einsatz befindlichen Impfstoffen in
den USA - dem des US-Unternehmens Moderna und dem des US-Konzerns
Pfizer und seines deutschen Partners Biontech - durchgeführt werden.
Bei diesen beiden Impfstoffen seien bislang keine vergleichbaren
Vorfälle gemeldet worden, hieß es von FDA und CDC.

Die Aussetzung werde «keine bedeutenden Auswirkungen» auf die
US-Impfkampagne haben, teilte das Weiße Haus mit. Die USA hätten
allein durch die vereinbarten Lieferungen mit den Herstellern Moderna
und Biontech/Pfizer genügend Impfstoff für 300 Millionen Menschen,
erklärte US-Präsident Joe Bidens Corona-Koordinator Jeff Zients. Die
USA könnten daher weiter pro Tag rund drei Millionen Menschen impfen.

Von dem Ende Februar von der FDA zugelassenen Impfstoff von Johnson &
Johnson, von dem es nur eine Dosis braucht, wurden bislang mehr als
6,8 Millionen Dosen gespritzt. Bei sechs Frauen zwischen 18 und 48
Jahren war es den Behörden zufolge zwischen 6 und 13 Tagen nach
dieser Impfung zu Sinusvenenthrombosen gekommen. In drei Fällen sei
zusätzlich eine Thrombozytopenie, also ein Mangel an Blutplättchen,
gemeldet worden. Eine Frau sei gestorben, eine befinde sich in
kritischem Zustand, teilten FDA und CDC mit. Insgesamt scheine es
aber so, als ob diese Fälle «sehr selten» seien.