Firmen müssen Beschäftigten Coronatests anbieten

Lange wurde gerungen - jetzt wird die deutsche Wirtschaft zu
Corona-Testangeboten verpflichtet. Wirtschaftsfunktionäre üben
scharfe Kritik, doch es gibt auch Bedenken von anderer Seite.

Berlin (dpa) - Unternehmen müssen ihren Beschäftigten künftig
Coronatests anbieten. Das Bundeskabinett hat am Dienstag eine
entsprechende Verordnung zum Arbeitsschutz beschlossen. «Diese Regel
gilt für alle Beschäftigten, die nicht dauerhaft im Homeoffice
arbeiten können», sagte Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) in
Berlin. Derjenige Teil der Wirtschaft, der offen bleiben solle, müsse
nun zum Infektionsschutz einen verpflichtenden Beitrag leisten. «Ich
halte das für ein Gebot der Verantwortung», so Heil. Die Verordnung
trete in der kommenden Woche in Kraft. Verlängert wird zudem bis Ende
Juni das Gebot zum Homeoffice für geeignete Arbeit.

Regierungssprecher Steffen Seibert rief die Beschäftigten dazu auf,
die Testangebote auch zu nutzen. Möglich seien der Einsatz von
Schnelltests, PCR-Tests und auch Selbsttests, sagte Heil. Unternehmen
könnten auch mit Dienstleistern arbeiten - etwa mit der Apotheke um
die Ecke. Vorgesehen ist, dass Betriebe ihren Beschäftigten einmal
pro Woche ein Testangebot machen. Zwei Tests pro Woche sollen
Mitarbeitern zur Verfügung stehen, die besonders gefährdet sind. Das
trifft auf Bereiche mit viel Kundenkontakt oder körpernahe
Dienstleistungen zu. Auch Beschäftigte, die vom Arbeitgeber in
Gemeinschaftsunterkünften untergebracht werden, müssen zwei Mal pro
Woche ein Testangebot erhalten. Eine Testpflicht für Arbeitnehmer
gibt es nicht.

«Wir stärken Unternehmen, die bereits testen», sagte Heil. Es sei
nicht akzeptabel, wenn andere das nicht täten. Für viele Unternehmen
ändert sich mit einer solchen Angebotspflicht aus Sicht des
Wirtschaftsministeriums nicht viel. Nach Angaben des Ministeriums
bieten inzwischen rund 70 Prozent der Unternehmen ihren Beschäftigten
wöchentliche Testmöglichkeiten an, weitere Angebote kämen hinzu. Das

belegten auch die Befragungen der Bundesregierung aus der vergangenen
Woche. Mitte März waren es noch rund 35 Prozent.

Kritik an dem Beschluss kommt vor allem aus der Wirtschaft. Die
Verpflichtung sei eine weitere Misstrauenserklärung gegenüber den
Unternehmen und ihren Beschäftigten in diesem Land, sagte
Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger. Die Präsidentin des Verband der
Automobilindustrie (VDA), Hildegard Müller, sagte der Deutschen
Presse-Agentur: «Statt bürokratischer Auflagen braucht es jetzt
dringend Hilfe bei der Beschaffung von ausreichend Tests, die gerade
für kleine und mittlere Unternehmen schwierig ist.» Aus Sicht des
Deutschen Mittelstands-Bunds ist eine unzureichende Verfügbarkeit von
zertifizierten Tests ein Problem. Kritik kam auch aus der
Chemieindustrie. Heil betonte, Tests stünden in ausreichender Zahl
zur Verfügung.

Die Maschinen- und Anlagenbauer halten die angekündigte Pflicht zum
Angebot von Corona-Tests in den Betrieben hingegen für handhabbar.
«Da der überwiegende Teil unserer Unternehmen die
Selbstverpflichtung, ihren Mitarbeitern Corona-Tests anzubieten, von
vornherein sehr ernst genommen hat, wird sich in der Praxis nicht
viel ändern», sagte Karl Haeusgen, Präsident des Branchenverbandes
VDMA. Auch die IG Metall begrüßte die Angebotspflicht. «Im Augenblick

sind regelmäßige Tests eine zentrale Maßnahme, um die zahlreichen
Beschäftigten, die nicht im Homeoffice arbeiten können, zu schützen
»,
erklärte am Dienstag der Erste Vorsitzende Jörg Hofmann in Frankfurt.

Die Kosten für die Tests tragen die Arbeitgeber. Grundsätzlich können

die Firmen die Kosten für Schnelltests allerdings im Rahmen der
Überbrückungshilfe III geltend machen, wenn sie die Voraussetzungen
dafür erfüllen. Nach Angaben des Wirtschaftsministeriums sind neben
Desinfektionsmitteln und Schutzmasken auch Schnelltests und die
Schulung von Beschäftigten zu Hygienemaßnahmen förderfähig. Die
Bundesregierung rechnet mit Kosten pro Beschäftigtem von 130 Euro bis
Ende Juni. Arbeitsschutz sei unternehmerische Aufgabe, so Heil.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) forderte mehr Tests. Bei einer
Fünftagewoche sei mehr als ein Angebot notwendig, sagte DGB-Chef
Reiner Hoffmann. «Bei besonders gefährdeten Beschäftigten muss
arbeitstäglich ein Schnelltest zur Verfügung gestellt werden.» Der
Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, sagte
der Deutschen Presse-Agentur: «Es braucht eine tägliche
Selbsttestpflicht für alle Beschäftigten, die nicht im Homeoffice
sind. Gerade in der Alten- und Krankenpflege ist das überfällig.»

Kaum steht der Kabinettsbeschluss, kündigt schon ein erster Verband
eine Klage an. Die Wirtschaft solle jetzt Fehler und Versäumnisse der
Politik in der Bekämpfung der Corona-Pandemie ausbaden, sagte Markus
Jerger, Bundesgeschäftsführer des Bundesverbands mittelständische
Wirtschaft (BVMW) den Zeitungen der Funke Mediengruppe. «Dagegen muss
und wird der Mittelstand sich wehren. Wir bereiten als Verband gerade
die dafür erforderlichen rechtlichen Schritte vor.»