Debatte über Öffnungsschritte nach Lockdown - Kretschmann bremst

Nach wochenlangem Hickhack soll der Lockdown verschärft werden. Die
Bundesregierung will die dritte Corona-Welle mit einheitlichen
Vorschriften brechen. Baden-Württemberg unterstützt dies zwar, plant
in einem Arbeitspapier aber auch für die Zeit danach.

Stuttgart (dpa/lsw) - Während bundesweit eine einheitliche
«Corona-Notbremse» vorbereitet wird, plant Baden-Württemberg auch f
ür
die Zeit sinkender Infektionszahlen. Ein neues Arbeitspapier des
Gesundheitsministeriums unter dem Titel «Eckpunkte für
kontrollierte/sichere "Öffnungsschritte"» sieht ein Szenario für
Öffnungsschritte vor. Es muss nach Angaben des Ministeriums aber erst
noch zwischen den Ressorts abgestimmt und auch im Kabinett beraten
werden. «Wir wollen für den Tag X, wo die Inzidenz so niedrig ist,
dass Öffnungsschritte überhaupt durchführbar und angemessen sind, gut

gewappnet sein», sagte auch Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne)
am Dienstag in Stuttgart.

Es handele sich lediglich um ein Arbeitspapier, betonte
Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). Der Zeitpunkt für die

Veröffentlichung des Papiers, das nach Angaben des Ministeriums Ende
März aufgesetzt wurde, sei «maximal unglücklich». Am Dienstag hatte

das Bundeskabinett fast zeitgleich eine Bundes-Notbremse und
bundesweite Verschärfungen der Corona-Auflagen beschlossen. Das
erwecke einen «völlig falschen Eindruck, räumte Kretschmann ein.
«Denn es geht ja gerade in eine andere Richtung. Es wird strenger und
nicht lockerer.» Er selbst habe die Planung bislang auch nicht
gekannt.

Dem Arbeitspapier zufolge soll der Einzelhandel wieder öffnen dürfen,
wenn die Zahl der Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner in einer Stadt
oder einem Landkreis unter den Wert von 100 Fällen binnen sieben
Tagen sinkt. Erlaubt wäre dann demnach ein Kunde pro 10 Quadratmeter
für die ersten 800 Quadratmeter der Verkaufsfläche und ein Kunde je
20 Quadratmeter, wenn die Verkaufsfläche größer ist. Bislang gilt
dies nur bei einer Inzidenz unter 50.

Liegt die Inzidenz zwischen 100 und 200 würde in Baden-Württemberg
Shoppen mit einer Terminvereinbarung (Click & Meet) ermöglicht. Es
würden aber verschärfte Regeln gelten wie die Vorlage eines negativen
Tests, es wäre zudem nur ein Kunde auf 40 Quadratmeter Ladenfläche
erlaubt. Ab der Inzidenz von über 200 Infektionen innerhalb einer
Woche wäre laut Arbeitspapier nur noch «Click & Collect» genehmigt,
auch abendliche Ausgangssperren kämen infrage.

Für Außengastronomie, Kultur und Sport könnten Änderungen ab einer

Inzidenz zwischen 50 und 100 festgelegt werden, sollten sich Ressorts
und Regierung entsprechend einigen. Dann dürften zum Beispiel
Straßencafés und Biergärten mit vorheriger Terminbuchung öffnen,
Kultureinrichtungen und Kinos sowie kontaktarmer Sport könnten
erlaubt werden. Voraussetzungen seien ein negativer Test und eine App
zur Kontaktnachverfolgung, heißt es in der Vorlage weiter. Fällt die
Inzidenz unter 50, so könnten Außengastronomie, Theater, Opern,
Konzertsäle, Museen, Zoos und botanische Gärten wieder öffnen -
«eventuell auch Restaurants und Hotels», wie es heißt.

Für die Schulen schlägt das Ministerium im Papier Präsenzunterricht
mit regelmäßigen Tests ab einer Sieben-Tages-Inzidenz unter 50 vor.
Fern- oder Wechselunterricht soll es bei Inzidenzen zwischen 50 und
100 geben. Steigen sie über 100, soll das Infektionsgeschehen an den
betroffenen Schulen «detailliert» analysiert werden - gemeint sind
die Anzahl der Infektionen und die Größe eines Virusausbruchs.
Auflagen würden die örtlichen Gesundheitsämter festhalten. Über ein
er
Inzidenz von 200 gilt eine ähnliche Regelung, dann kann aber auch der
Fernunterricht ausgeweitet und Schulen können geschlossen werden.

Das Arbeitspapier erwähnt zudem Modellprojekte für die Regionen mit
Inzidenzen zwischen 100 und 200. Mit ihnen solle «die Wirksamkeit von
umfassenden Testkonzepten untersucht werden». Ausgewählt werden
könnten sie laut Papier von den kommunalen Landesverbänden. Auf eine
Anzahl von Projekten legt sich das Papier noch nicht fest. Es betont
zudem, es müsse «eine fundierte wissenschaftliche Begleitung» geben.


Allerdings dürften entsprechende Öffnungsschritte für viele noch in
weiter Ferne liegen. Denn in Baden-Württemberg hat das
Corona-Infektionsgeschehen zuletzt weiter angezogen. Die
Sieben-Tage-Inzidenz lag laut Landesgesundheitsamt am Montag bei
143,7 Fällen. Die Schwelle der 100er-Inzidenz überschreiten 39 der 44
Stadt- und Landkreise.