Forscher: Impfstoff-immune Corona-Mutanten in Deutschland denkbar

Göttingen (dpa) - Corona-Varianten, gegen die aktuelle Impfstoffe
weniger oder gar nicht mehr wirken, können nach Einschätzung von
Forschern auch in Deutschland entstehen. Das sei insbesondere dann
möglich, wenn sich das Virus jetzt in der dritten Welle stark
ausbreitet, erklärten Stefan Pöhlmann und Markus Hoffmann vom
Leibniz-Institut für Primatenforschung in Göttingen.

Solche Escape-Varianten können den Angaben nach entstehen, wenn sich
das Virus in einer Bevölkerung mit unvollständigem Immunschutz
ausbreitet. Dies sei beispielsweise auch der Fall, wenn die Immunität
nach überstandener Infektion oder Impfung langsam abnimmt.

In einer Bevölkerung mit einem gewissen Grad an Immunität hätten
Escape-Varianten bei vergleichbarer Infektiosität einen Vorteil
gegenüber dem Ursprungsvirus, erläuterten Pöhlmann und Hoffmann. In
einem solchen Szenario würde eine Escape-Variante relativ schnell
dominant werden. Beispiel könnte die Mutante P.1 in Brasilien sein.

«Falls in einer Bevölkerung kaum Immunität vorherrscht, so wie
derzeit in Deutschland, würde eine Escape-Variante in direkter
Konkurrenz mit den vorherrschenden Virusvarianten stehen, die
ihrerseits noch genügend empfängliche Wirte vorfinden», erklärten d
ie
Wissenschaftler. Dann würde sich eine Escape-Variante nur dann
großflächig durchsetzen, wenn sie auch besser übertragbar wäre.

Die Experten des Deutschen Primatenzentrums haben mit Kollegen des
Uniklinikums Ulm herausgefunden, dass ein für die Covid-19-Therapie
eingesetzter Antikörper bei den Varianten B.1.351 (Südafrika) und P.1

komplett wirkungslos gewesen sei. Sie stufen die beiden daher als
Escape-Varianten ein. Es sei aber davon auszugehen, dass B.1.351 und
P.1 immer noch durch die verfügbaren Impfstoffe gehemmt würden.
«Allerdings ist der Impfschutz möglicherweise reduziert und von
kürzerer Dauer.» Daher sei es umso wichtiger, durch Impfung schnell
eine großflächige Immunität in der Bevölkerung zu erlangen und so d
en
Varianten der Wirte zu berauben, die sie zum Ausbreiten benötigten.

Um den Schutz gegen Varianten wie B.1.351 und P.1 zu verbessern
könnten die vorhandenen Impfstoffe angepasst werden. «Dieses Vorgehen
würde der Impfstrategie ähneln, mit der wir uns vor Grippeviren
schützen», erklärten Pöhlmann und Hoffmann. Dass Varianten entstehe
n,
die nicht mehr durch jetzt verfügbare Impfstoffe gehemmt werden, sei
«ein extremes Szenario, aber nicht auszuschließen». Um die
Wahrscheinlichkeit zu senken, dass Escape-Varianten entstehen, müsse
die Ausbreitung des Virus wirksam eingedämmt werden - etwa durch
Einhalten der AHA-Regeln und flächendeckende Impfungen.